Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit bei Verbrauchersachen. Etwaige Beschränkung dieser Zuständigkeit auf im Fernabsatz geschlossene Verträge. Kausalzusammenhang zwischen der über das Internet auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausgerichteten beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit und dem Vertragsschluss

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 15 Abs. 1 Buchst. c

 

Beteiligte

Emrek

Lokman Emrek

Vlado Sabranovic

 

Tenor

Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass das zum Ausrichten der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers eingesetzte Mittel, d. h. eine Internetseite, nicht kausal sein muss für den Vertragsschluss mit diesem Verbraucher. Liegt eine solche Kausalität vor, ist dies allerdings ein Indiz dafür, dass der Vertrag an eine solche Tätigkeit anschließt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Saarbrücken (Deutschland) mit Entscheidung vom 27. April 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Mai 2012, in dem Verfahren

Lokman Emrek

gegen

Vlado Sabranovic

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richter C. G. Fernlund und A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. April 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Emrek, vertreten durch Rechtsanwalt M. Kurt,
  • von Herrn Sabranovic, vertreten durch Rechtsanwältin M. Mauer,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch T. Materne und J. C. Halleux als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch B. Beaupère-Manokha als Bevollmächtigte,
  • der luxemburgischen Regierung, vertreten durch P. Frantzen und C. Schiltz als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Juli 2013

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Emrek und Herrn Sabranovic über Ansprüche aus Gewährleistungsrecht nach Abschluss eines Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Der elfte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 lautet: „Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.”

Rz. 4

Nach dem 13. Erwägungsgrund der Verordnung sollte bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.

Rz. 5

Art. 2 Abs. 1 der Verordnung stellt den Grundsatz auf, dass Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen sind.

Rz. 6

Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens, ist nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 das Gericht des Ortes zuständig, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.

Rz. 7

In Art. 15 Abs. 1 der Verordnung heißt es:

„Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt,

c) in allen anderen Fällen, wenn der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgend einem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.”

Rz. 8

Art. 16 Abs. 1 und 2 der Verordnung ...

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