Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbraucherschutz. Unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern. Regelung eines Mitgliedstaats, die für die Ankündigung eines Ausverkaufes eine vorherige Bewilligung vorsieht

 

Beteiligte

Köck

Georg Köck

Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb

 

Tenor

Die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) ist dahin auszulegen, dass sie es einem nationalen Gericht verwehrt, das Abstellen einer nicht unter den Anhang I dieser Richtlinie fallenden Geschäftspraxis nur deshalb anzuordnen, weil diese Praxis nicht vorab von der zuständigen Verwaltungsbehörde bewilligt wurde, ohne selbst diese Praxis anhand der in den Art. 5 bis 9 der Richtlinie genannten Kriterien auf ihre Unlauterkeit zu prüfen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 12. April 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Mai 2011, in dem Verfahren

Georg Köck

gegen

Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano sowie der Richter M. Ilešič, E. Levits, J.-J. Kasel und M. Safjan (Berichterstatter),

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Köck, vertreten durch Rechtsanwalt E. Kroker,
  • des Schutzverbands gegen unlauteren Wettbewerb, vertreten durch Rechtsanwältin M. Prunbauer,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch und G. Kunnert als Bevollmächtigte,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch T. Materne und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Owsiany-Hornung und S. Grünheid als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 6. September 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. L 149, S. 22, im Folgenden: Richtlinie).

Rz. 2

Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Köck und dem Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb über die – ohne die erforderliche vorherige behördliche Bewilligung erfolgte – Ankündigung des Klägers des Ausgangsverfahrens eines „Totalabverkaufs” seiner Waren und den entsprechenden Ausverkauf.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 8 und 17 der Richtlinie heißt es:

„(8) Diese Richtlinie schützt unmittelbar die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern. Sie schützt somit auch mittelbar rechtmäßig handelnde Unternehmen vor Mitbewerbern, die sich nicht an die Regeln dieser Richtlinie halten, und gewährleistet damit einen lauteren Wettbewerb in dem durch sie koordinierten Bereich. …

(17) Es ist wünschenswert, dass diejenigen Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen unlauter sind, identifiziert werden, um größere Rechtssicherheit zu schaffen. Anhang I enthält daher eine umfassende Liste solcher Praktiken. Hierbei handelt es sich um die einzigen Geschäftspraktiken, die ohne eine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen der Artikel 5 bis 9 als unlauter gelten können. Die Liste kann nur durch eine Änderung dieser Richtlinie abgeändert werden.”

Rz. 4

Art. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Zweck dieser Richtlinie ist es, durch Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen, zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts und zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen.”

Rz. 5

Art. 2 der Richtlinie sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

d) ‚Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern’ (nachstehend auch ‚Geschäftspraktiken’ genannt) jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklä...

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