Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifvertrag, der eine Beihilfe für schwangere Frauen beim Antritt ihres Mutterschaftsurlaubs vorsieht. Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg

 

Normenkette

EGV Art. 119 a.F.

 

Beteiligte

Abdoulaye u.a

Oumar Dabo Abdoulaye u. a

Régie nationale des usines Renault SA

 

Tenor

Der in Artikel 119 EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden) verankerte Grundsatz des gleichen Entgelts steht der Zahlung einer pauschalen Beihilfe allein an Arbeitnehmerinnen, die Mutterschaftsurlaub antreten, nicht entgegen, sofern diese Beihilfe dazu bestimmt ist, die beruflichen Nachteile auszugleichen, die den Arbeitnehmerinnen aus ihrer Abwesenheit vom Arbeitsplatz entstehen.

 

Gründe

1.

Der Conseil de Prud'hommes Le Havre hat mit Urteil vom 24. April 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Juni 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) eine Frage nach der Auslegung des Artikels 119 EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden), der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (ABl. L 45, S. 19) und der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.

Diese Frage stellt sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Klägern Abdoulaye u. a. und der Régie nationale des usines Renault SA (nachfolgend: Beklagte).

3.

Die Kläger sind Arbeitnehmer männlichen Geschlechts der Beklagten; sie machen geltend, Artikel 18 des Tarifvertrags über die soziale Absicherung der Arbeitnehmer dieser Gesellschaft (nachfolgend: Tarifvertrag) sei mit dem in Artikel 119 EG-Vertrag verankerten und mit Artikel L.140-2 des Code du travail français [französisches Arbeitsgesetzbuch] umgesetzten Diskriminierungsverbot unvereinbar.

4.

Gemäß Artikel 18 des Tarifvertrags erhält die schwangere Frau bei Antritt des Mutterschaftsurlaubs 7 500 FF.

5.

Nach Artikel 19 des Tarifvertrags bezieht die weibliche Belegschaft während der Dauer des von der Sozialversicherung als solchen bezahlten Mutterschaftsurlaubs 100 % ihres Nettogehalts abzüglich der von der Sozialversicherung gezahlten Tagegelder.

6.

Nach Artikel 20 des Tarifvertrags erhalten im Falle der Adoption eines Kindes der Adoptivvater oder die Adoptivmutter, die im Unternehmen angestellt sind, 2 000 FF. Wenn beide Ehegatten im Unternehmen arbeiten, kann dieses Recht nur von einem der beiden in Anspruch genommen werden.

7.

Die Kläger machen geltend, zwar seien bestimmte Ungleichbehandlungen, wie der den Frauen vorbehaltene Mutterschaftsurlaub, insofern gerechtfertigt, als sie in der biologischen Eigenart eines Geschlechts begründet seien; anders verhalte es sich aber mit der Beihilfe, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens sei, weil die Geburt eines Kindes, auch wenn sie aus streng biologischer Sicht allein die Frau betreffe, mindestens in gleichem Maße ein soziales Ereignis sei, das die ganze Familie und damit auch den Vater angehe; dieser dürfe davon nicht durch Vorenthaltung der Beihilfe ausgeschlossen werden, da sonst eine unzulässige Ungleichbehandlung vorliege.

8.

Das nationale Gericht meint, der Gerichtshof habe sich noch nicht zur Vereinbarkeit einer Beihilfe der im Ausgangsverfahren streitigen Art mit Artikel 119 EG-Vertrag geäußert, obwohl er sich in dem Urteil vom 13. Februar 1996 in der Rechtssache C-342/93 (Gillespie u. a., Slg. 1996, I-475) zu einem recht ähnlichen Fall geäußert habe.

9.

Es hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Gestattet es der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen gemäß Artikel 119 des Römischen Vertrages und den späteren Vorschriften, daß nur der schwangeren Frau und nicht dem Vater des Kindes bei Antritt des Mutterschaftsurlaubs 7 500 FF gezahlt werden, wobei

  1. * diese Beihilfe und ihre Zahlung in Artikel 18 a. E. des Tarifvertrags vom 5. Juli 1991 über die soziale Absicherung der Arbeitnehmer der Firma Renault vorgesehen sind,
  2. * Artikel 19 Absatz 2 dieses Tarifvertrags vorsieht, daß die Gehälter der Arbeitnehmerinnen während des Mutterschaftsurlaubs fortgezahlt werden?

10.

Mit seiner Frage begehrt das nationale Gericht eine Antwort auf die Frage, ob der in Artikel 119 EG-Vertrag verankerte Grundsatz des gleichen Entgelts der Zahlung einer pauschalen Beihilfe allein an die Arbeitnehmerinnen, die den Mutterschaftsurlaub antreten, entgegensteht.

11.

Artikel 119 EG-Vertrag verankert den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frau...

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