Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Unterhaltssachen. Zeitlicher Anwendungsbereich. Entscheidungen eines Gerichts eines Mitgliedstaats, die vor dem Beitritt zur Europäischen Union ergangen sind

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 4/2009 Art. 75

 

Beteiligte

Department of Justice for Northern Ireland

TKF

Department of Justice for Northern Ireland

 

Tenor

1. Art. 75 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen ist dahin auszulegen, dass er nur für Entscheidungen gilt, die von nationalen Gerichten in Staaten erlassen wurden, die zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidungen bereits Mitglieder der Europäischen Union waren.

2. Die Verordnung Nr. 4/2009 ist dahin auszulegen, dass keine Bestimmung dieser Verordnung es erlaubt, dass Unterhaltsentscheidungen, die in einem Staat vor dessen Beitritt zur Europäischen Union und vor dem Tag des Beginns der Anwendbarkeit dieser Verordnung ergangen sind, nach dem Beitritt dieses Staates zur Union in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und vollstreckt werden.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Court of Appeal in Northern Ireland (Appellationsgericht in Nordirland, Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 2. September 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Oktober 2019, in dem Verfahren

TKF

gegen

Department of Justice for Northern Ireland

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter N. Wahl und F. Biltgen, der Richterin L. S. Rossi (Berichterstatterin) sowie des Richters J. Passer,

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2020,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • [berichtigt mit Beschluss vom 12. Mai 2021] von TKF, vertreten durch R. Lavery, QC, C. McGarrity, solicitor, und M. McGowan, Barrister,
  • [berichtigt mit Beschluss vom 12. Mai 2021] des Department of Justice for Northern Ireland, vertreten durch K. Brown als Bevollmächtigtem im Beistand von T. McGleenan, QC, und L. McMahon, Barrister,
  • [berichtigt mit Beschluss vom 12. Mai 2021] der polnischen Regierung, vertreten durch S. Żyrek als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. November 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 75 der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (ABl. 2009, L 7, S. 1, und Berichtigungen ABl. 2011, L 131, S. 26; ABl. 2013, L 8, S. 19 und ABl. 2013, L 281, S. 29).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen TKF, einem polnischen Staatsangehörigen, und dem Department of Justice for Northern Ireland (Justizministerium Nordirland) als Zentraler Behörde, die mit der Erfüllung der sich aus dieser Verordnung ergebenden Verpflichtungen betraut ist, wegen der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Unterhaltssachen, die in Polen vor dessen Beitritt zur Europäischen Union ergangen sind, im Vereinigten Königreich.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung Nr. 44/2001

Rz. 3

Art. 66 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1), der zu Kapitel VI („Übergangsvorschriften”) dieser Verordnung gehört, bestimmt:

„(1) Die Vorschriften dieser Verordnung sind nur auf solche Klagen und öffentliche Urkunden anzuwenden, die erhoben bzw. aufgenommen worden sind, nachdem diese Verordnung in Kraft getreten ist.

(2) Ist die Klage im Ursprungsmitgliedstaat vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung erhoben worden, so werden nach diesem Zeitpunkt erlassene Entscheidungen nach Maßgabe des Kapitels III anerkannt und zur Vollstreckung zugelassen,

a) wenn die Klage im Ursprungsmitgliedstaat erhoben wurde, nachdem das Brüsseler Übereinkommen [über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32), das am 27. September 1968 in Brüssel unterzeichnet wurde] oder das Übereinkommen von Lugano [über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1988, L 319, S. 9), das am 16. September 1988 in Lugano unterzeichnet wurde] sowohl im Ursprungsmitgliedstaat als auch in dem Mitgliedstaat, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, in Kraft getr...

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