Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit. Zuständigkeit des Gerichtshofs. Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens. Rein interner Sachverhalt. Nationale Regelung, die auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Urnenaufbewahrung verbietet. Verhältnismäßigkeitsprüfung. Kohärenz der nationalen Regelung

 

Beteiligte

Memoria und Dall'Antonia

Memoria Srl

Antonia Dall'Antonia

Comune di Padova

 

Tenor

Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die es dem Empfänger einer Ascheurne trotz des ausdrücklichen Wunsches des Verstorbenen verbietet, sie durch Dritte aufbewahren zu lassen, ihn verpflichtet, sie bei sich zu Hause aufzubewahren, es sei denn, er lässt sie auf einem städtischen Friedhof aufbewahren, und die ferner jede mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübte Tätigkeit untersagt, die – ausschließlich oder nicht – die Aufbewahrung von Ascheurnen zu welchem Zweck und über welchen Zeitraum auch immer betrifft.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per il Veneto (Regionales Verwaltungsgericht für Venetien, Italien) mit Entscheidung vom 11. Mai 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Juni 2017, in dem Verfahren

Memoria Srl,

Antonia Dall'Antonia

gegen

Comune di Padova,

Beteiligte:

Alessandra Calore,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer M. Vilaras in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter), L. Bay Larsen, M. Safjan und D. Šváby,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. April 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Memoria Srl und von Frau Dall'Antonia, vertreten durch G. Martini, A. Sitzia und P. Piva, avvocati,
  • der Comune di Padova, vertreten durch M. Lotto, V. Mizzoni, A. Sartori und P. Bernardi, avvocati,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von E. De Bonis, avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Tserepa-Lacombe und L. Malferrari als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Juni 2018

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 und 56 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Memoria Srl und Frau Antonia Dall'Antonia einerseits und der Comune di Padova (Gemeinde Padua, Italien) andererseits wegen einer von der Letztgenannten erlassenen Regelung, die es den Empfängern einer Ascheurne verbietet, diese von einem privaten Unternehmen gegen Bezahlung aufbewahren zu lassen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der achte Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36) sieht vor:

,,Die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit sollten nur insoweit Anwendung finden, als die betreffenden Tätigkeiten dem Wettbewerb offen stehen, so dass sie die Mitgliedstaaten weder verpflichten, Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu liberalisieren, noch öffentliche Einrichtungen, die solche Dienstleistungen anbieten, zu privatisieren, noch bestehende Monopole für andere Tätigkeiten oder bestimmte Vertriebsdienste abzuschaffen.”

Rz. 4

Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/123 bestimmt:

„Diese Richtlinie betrifft weder die Abschaffung von Dienstleistungsmonopolen noch von den Mitgliedstaaten gewährte Beihilfen, die unter die gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften fallen.”

Italienisches Recht

Gesetz Nr. 234 vom 24. Dezember 2012

Rz. 5

Art. 53 der Legge n. 234, Norme generali sulla partecipazione dell'Italia alla formazione e all'attuazione della normativa e delle politiche dell'Unione europea (Gesetz Nr. 234 über allgemeine Regelungen zur Teilnahme der Italienischen Republik an der Schaffung und Umsetzung der Regelungen und der Politiken der Europäischen Union) vom 24. Dezember 2012 (GURI Nr. 3 vom 4. Januar 2013) bestimmt:

„Die Vorschriften des italienischen Rechts, die im Vergleich zu den durch die italienische Rechtsordnung garantierten Bedingungen für Unionsangehörige und zu deren Behandlung diskriminierende Wirkungen haben, sind auf italienische Staatsangehörige nicht anwendbar.”

Gesetz Nr. 130 vom 30. März 2001

Rz. 6

Art. 3 des Legge n. 130, Disposizioni in materia di cremazione e dispersione delle ceneri (Gesetz Nr. 130 über die Einäscherung und das Verstreuen der Asche) vom 30. März 2001 (GURI Nr. 91 vom 19. April 2001) bestimmt:

„1. In den sechs Monaten nach der Verkündung dieses Gesetzes kann das Decreto del Presidente della Rep...

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