Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Öffentliche Dienstleistungsaufträge. Zuschlagskriterien. Wirtschaftlich günstigstes Angebot. Bewertungsmethode. Gewichtungsregeln. Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, in der Ausschreibung anzugeben, wie die Zuschlagskriterien gewichtet werden. Umfang der Pflicht

 

Normenkette

Richtlinie 2004/18/EG Art. 53 Abs. 2

 

Beteiligte

TNS Dimarso

TNS Dimarso NV

Vlaams Gewest

 

Tenor

Art. 53 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist im Licht des Grundsatzes der Gleichbehandlung und der daraus hervorgehenden Transparenzpflicht dahin auszulegen, dass der öffentliche Auftraggeber, wenn ein Dienstleistungsauftrag nach dem Kriterium des aus seiner Sicht wirtschaftlichsten Angebots vergeben werden soll, nicht verpflichtet ist, den potenziellen Bietern in der Auftragsbekanntmachung oder in den entsprechenden Verdingungsunterlagen die Bewertungsmethode, die er zur konkreten Bewertung und Einstufung der Angebote anwenden wird, zur Kenntnis zu bringen. Allerdings darf diese Methode keine Veränderung der Zuschlagskriterien oder ihrer Gewichtung bewirken.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Raad van State (Staatsrat, Belgien) mit Entscheidung vom 6. Januar 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Januar 2015, in dem Verfahren

TNS Dimarso NV

gegen

Vlaams Gewest

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter C. Lycourgos, E. Juhász (Berichterstatter) und C. Vajda sowie der Richterin K. Jürimäe,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der TNS Dimarso NV, vertreten durch P. Flamey, G. Verhelst und A. Lippens, advocaten,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halleux, N. Zimmer und C. Pochet als Bevollmächtigte im Beistand von R. Vander Hulst, D. D'Hooghe und N. Kiekens, advocaten,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Varone, avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Manhaeve und A. Tokár als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. März 2016

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 53 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114) im Licht des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Bieter und der daraus hervorgehenden Transparenzpflicht.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der TNS Dimarso NV (im Folgenden: Dimarso) und dem Vlaams Gewest (im Folgenden: Flämische Region) über die Rechtmäßigkeit der Methode, nach der im Rahmen eines von der letztgenannten Körperschaft ausgeschriebenen öffentlichen Dienstleistungsauftrags die Angebote der Bieter bewertet wurden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Im 46. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 heißt es:

„Die Zuschlagserteilung sollte auf der Grundlage objektiver Kriterien erfolgen, die die Einhaltung der Grundsätze der Transparenz, der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung gewährleisten und sicherstellen, dass die Angebote unter wirksamen Wettbewerbsbedingungen bewertet werden. Dementsprechend sind nur zwei Zuschlagskriterien zuzulassen: das des ‚niedrigsten Preises’ und das des ‚wirtschaftlich günstigsten Angebots’.

Um bei der Zuschlagserteilung die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sicherzustellen, ist die – in der Rechtsprechung anerkannte – Verpflichtung zur Sicherstellung der erforderlichen Transparenz vorzusehen, damit sich jeder Bieter angemessen über die Kriterien und Modalitäten unterrichten kann, anhand deren das wirtschaftlich günstigste Angebot ermittelt wird. Die öffentlichen Auftraggeber haben daher die Zuschlagskriterien und deren jeweilige Gewichtung anzugeben, und zwar so rechtzeitig, dass diese Angaben den Bietern bei der Erstellung ihrer Angebote bekannt sind. Die öffentlichen Auftraggeber können in begründeten Ausnahmefällen, die zu rechtfertigen sie in der Lage sein sollten, auf die Angabe der Gewichtung der Zuschlagskriterien verzichten, wenn diese Gewichtung insbesondere aufgrund der Komplexität des Auftrags nicht im Vorhinein vorgenommen werden kann. In diesen Fällen sollten sie diese Kriterien in der absteigenden Reihenfolge ihrer Bedeutung angeben.

Beschließen die öffentlichen Auftraggeber, dem wirtschaftlich günstigsten Angebot den Zuschlag zu erteilen, so bewerten sie die Angebote unter dem Gesichtspunkt des besten Preis-Leistungs-...

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