Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Verfahren zur alternativen Streitbeilegung (AS). Widerspruch von Verbrauchern im Rahmen eines von einem Kreditinstitut eingeleiteten Mahnverfahrens. Recht auf Zugang zum Gerichtssystem. Nationale Rechtsvorschriften, die eine verpflichtende Inanspruchnahme eines Mediationsverfahrens vorsehen. Anwaltszwang. Zulässigkeitsvoraussetzung einer gerichtlichen Klage

 

Normenkette

Richtlinie 2008/52/EG; Richtlinie 2013/11/EU Art. 3 Abs. 2

 

Beteiligte

Menini und Rampanelli

Livio Menini

Maria Antonia Rampanelli

Banco Popolare Società Cooperativa

 

Tenor

Die Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten) ist dahin auszulegen. dass sie nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegensteht, die in den in Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Rechtsstreitigkeiten die Einleitung eines Mediationsverfahrens als Zulässigkeitsvoraussetzung einer gerichtlichen Klage in Bezug auf diese Streitigkeiten vorsehen, soweit ein solches Erfordernis die Parteien nicht daran hindert, ihr Recht auf Zugang zum Gerichtssystem auszuüben.

Diese Richtlinie ist andererseits dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die vorsehen, dass ein Verbraucher im Rahmen einer solchen Mediation einen Anwalt beiziehen muss und dass er ein Mediationsverfahren nur abbrechen darf, wenn er das Vorliegen eines rechtfertigenden Grundes für diese Entscheidung darlegt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale Ordinario di Verona (Gericht Verona, Italien) mit Entscheidung vom 28. Januar 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Februar 2016, in dem Verfahren

Livio Menini,

Maria Antonia Rampanelli

gegen

Banco Popolare Società Cooperativa

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Regan, J.-C. Bonichot, C. G. Fernlund und S. Rodin,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von D. Del Gaizo, avvocato dello Stato,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch M. Hellmann und T. Henze als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Montaguti, C. Valero und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Februar 2017

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten) (ABl. 2013, L 165, S. 63) und der Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2008, L 136, S. 3).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Livio Menini und Frau Maria Antonia Rampanelli einerseits und der Banco Popolare Società Cooperativa andererseits über den Ausgleich des Schuldsaldos eines bei Banco Popolare auf Herrn Menini und Frau Rampanelli laufenden Kontokorrents nach der Eröffnung eines ihnen von dieser Bank gewährten Kredits.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2008/52

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 8 und 13 der Richtlinie 2008/52 heißt es:

„(8) Die Bestimmungen dieser Richtlinie sollten nur für die Mediation bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten gelten; den Mitgliedstaaten sollte es jedoch freistehen, diese Bestimmungen auch auf interne Mediationsverfahren anzuwenden.

(13) Die in dieser Richtlinie vorgesehene Mediation sollte ein auf Freiwilligkeit beruhendes Verfahren in dem Sinne sein, dass die Parteien selbst für das Verfahren verantwortlich sind und es nach ihrer eigenen Vorstellung organisieren und jederzeit beenden können. …”

Rz. 4

Art. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1) Ziel dieser Richtlinie ist es, den Zugang zur alternativen Streitbeilegung zu erleichtern und die gütliche Beilegung von Streitigkeiten zu fördern, indem zur Nutzung der Mediation angehalten und für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Mediation und Gerichtsverfahren gesorgt wird.

(2) Diese Richtlinie gilt bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten für Zivil- und Handelssachen, nicht jedoch für Rechte und Pflichten, über die di...

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