Entscheidungsstichwort (Thema)

ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: LANDGERICHT MUENCHEN I – DEUTSCHLAND. FREIER WARENVERKEHR – WARENZEICHENRECHT – IRREFUEHRENDE WERBUNG. Freier Warenverkehr – Mengenmässige Beschränkungen – Maßnahmen gleicher Wirkung – Regelung eines Mitgliedstaats, die es erlaubt, sich dem Inverkehrbringen eines Erzeugnisses zu widersetzen, das das Symbol (R) trägt, wenn für die angebrachte Bezeichnung keine nationale Eintragung vorgenommen wurde – Anwendung auf aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführte Erzeugnisse – Unzulässigkeit – Rechtfertigung – Verbraucherschutz – Lauterkeit des Handelsverkehrs – Fehlen (EWG-Vertrag, Artikel 30)

 

Leitsatz (amtlich)

Artikel 30 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß er der Anwendung einer nationalen Vorschrift über den unlauteren Wettbewerb entgegensteht, die es einem Wirtschaftsteilnehmer erlaubt, das Verbot des Inverkehrbringens einer Ware im Gebiet eines Mitgliedstaats zu erwirken, die neben dem Warenzeichen den Buchstaben (R) im Kreis trägt, wenn dieses Warenzeichen nicht in diesem Staat, wohl aber in einem anderen Mitgliedstaat eingetragen ist.

Zur Rechtfertigung eines derartigen Verbots können nämlich weder zwingende Erfordernisse des Verbraucherschutzes herangezogen werden – denn selbst wenn man unterstellt, daß die Verbraucher irregeführt werden könnten, könnte dies nur den nebensächlichen Umstand des Ortes der Eintragung des Warenzeichens betreffen, nicht aber den wesentlichen Punkt der Qualität des Erzeugnisses – noch zwingende Erfordernisse der Lauterkeit des Handelsverkehrs, denn ein umsichtiger Fachmann, der wissen möchte, ob ein rechtlicher Schutz durch Eintragung eines Warenzeichens besteht, kann sich hierüber genau informieren, und wer eine derartige Eintragung vornehmen lässt, strebt vor allem diesen Schutz an, wobei die Möglichkeit, ein Zeichen anzubringen, das diesen Umstand angibt, nur akzessorisch ist.

 

Normenkette

EWGVtr Art. 30

 

Beteiligte

Pall Corp

P. J. Dahlhausen & Co

 

Tenor

Artikel 30 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß er der Anwendung einer nationalen Vorschrift über den unlauteren Wettbewerb entgegensteht, die es einem Wirtschaftsteilnehmer erlaubt, das Verbot des Inverkehrbringens einer Ware im Gebiet eines Mitgliedstaats zu erwirken, die neben dem Warenzeichen den Buchstaben (R) im Kreis trägt, wenn dieses Warenzeichen nicht in diesem Staat, wohl aber in einem anderen Mitgliedstaat eingetragen ist.

 

Gründe

1 Das Landgericht München I hat mit Beschluß vom 29. Juni 1989, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Juli 1989, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit der Firma Pall Corp. (nachstehend: Firma Pall), Klägerin des Ausgangsverfahrens, gegen die Firma P. J. Dahlhausen & Co. (nachstehend: Firma Dahlhausen). Letztere vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Blutfilter, die sie aus Italien einführt. Der italienische Hersteller bringt auf den Filtern selbst und auf deren Verpackungen die Bezeichnung „Miropore” zusammen mit dem Buchstaben (R) im Kreis an.

3 Die Firma Pall nimmt die Firma Dahlhausen unter anderem auf Unterlassung der Verwendung des Buchstabens (R) hinter der Bezeichnung „Miropore” in der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch, da für diese Bezeichnung in Deutschland kein Warenzeichenschutz bestehe. Unter diesen Umständen sei die Verwendung des Buchstabens (R) als irreführende Werbung nach § 3 des deutschen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verboten. Diese Vorschrift verbietet „irreführende Angaben” über „den Ursprung … oder die Bezugsquelle von Waren”.

4 Das Landgericht München I, bei dem der Rechtsstreit anhängig ist, ist der Ansicht, daß das von der Firma Pall begehrte Verbot des Inverkehrbringens nach deutschem Recht zu erlassen sei, doch sei fraglich, ob ein derartiges Verbot einer mengenmässigen Beschränkung im Sinne von Artikel 30 EWG-Vertrag gleichkäme.

5 Das vorlegende Gericht hat daher das Verfahren ausgesetzt, bis der Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung über folgende Fragen entschieden hat:

1) Kommt das von der Rechtsprechung der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland mit § 3 UWG begründete Verbot, Waren in der Bundesrepublik Deutschland mit einem der Bezeichnung der Ware hinzugefügten (R) in Verkehr zu bringen, wenn in der Bundesrepublik Deutschland kein zeichenrechtlicher Schutz besteht, in seiner Wirkung einer nach Artikel 30 EWG-Vertrag unzulässigen mengenmässigen Einfuhrbeschränkung gleich, wenn es auch auf Fälle angewendet wird, in denen ein zeichenrechtlicher Schutz in einem anderen EG-Land besteht?

2) Ist § 3 UWG unter den besonderen Voraussetzungen des vorliegenden Falles zum Schutz der in Artikel 36 EWG-Vertrag genannten Rechtsgüter anwendbar?

6 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs sowie der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninha...

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