Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Luftverkehr. Haftung der Luftfrachtführer für aufgegebenes Reisegepäck. Anforderungen an die Form und den Inhalt einer schriftlichen Schadensanzeige an den Luftfrachtführer. Elektronisch eingegebene und im Informationssystem des Luftfrachtführers registrierte Schadensanzeige. Von einem Vertreter des Luftfrachtführers im Namen des Empfängers eingegebene Schadensanzeige

 

Normenkette

Übereinkommen von Montreal Art. 31

 

Beteiligte

Finnair Oyj

Keskinäinen Vakuutusyhtiö Fennia

 

Tenor

1. Art. 31 Abs. 4 des am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossenen und im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 genehmigten Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr ist dahin auszulegen, dass die Beanstandung innerhalb der in Art. 31 Abs. 2 vorgeschriebenen Fristen schriftlich gemäß Art. 31 Abs. 3 zu erklären ist, anderenfalls jegliche Klage gegen das Luftfahrtunternehmen unzulässig ist.

2. Eine im Informationssystem des Luftfrachtführers registrierte Beanstandung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende genügt dem Schriftformerfordernis nach Art. 31 Abs. 3 des am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossenen Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr.

3. Art. 31 Abs. 2 und 3 des am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossenen Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr ist dahin auszulegen, dass er es nicht verbietet, das Schriftformerfordernis als erfüllt anzusehen, wenn ein Vertreter des Luftfrachtführers die Schadensanzeige mit Wissen des Flugreisenden schriftlich entweder auf Papier oder elektronisch in das System des Luftfrachtführers aufnimmt, sofern der Flugreisende die Möglichkeit hat, die Richtigkeit des Anzeigentexts, wie er schriftlich festgehalten und in das Informationssystem eingegeben wurde, vor Ablauf der in Art. 31 Abs. 2 dieses Übereinkommens vorgesehenen Frist zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern, zu vervollständigen oder zu ersetzen.

4. Art. 31 des am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossenen Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr ist dahin auszulegen, dass er an die Beanstandung keine weiteren inhaltlichen Anforderungen stellt als die, dass der entstandene Schaden dem Luftfrachtführer zur Kenntnis zu bringen ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein oikeus (Oberster Gerichtshof, Finnland) mit Entscheidung vom 2. Mai 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Mai 2016, in dem Verfahren

Finnair Oyj

gegen

Keskinäinen Vakuutusyhtiö Fennia

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter), M. Safjan, D. Šváby und M. Vilaras,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Finnair Oyj, vertreten durch T. Väätäinen, asianajaja,
  • der Keskinäinen Vakuutusyhtiö Fennia, vertreten durch V. Teiramaa, asianajaja,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Capolupo, avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch I. Koskinen und K. Simonsson als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 20. Dezember 2017

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 31 des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, das am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossen und im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 (ABl. 2001, L 194, S. 38) genehmigt wurde (im Folgenden: Übereinkommen von Montreal).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Finnair Oyj, einer Fluggesellschaft, und der Keskinäinen Vakuutusyhtiö Fennia (im Folgenden: Fennia), einer Versicherungsgesellschaft, wegen der Haftung der Finnair Oyj für den aus dem Verlust von Gegenständen aus einem Gepäckstück entstandenen Schaden.

Rechtlicher Rahmen

Übereinkommen von Montreal

Rz. 3

Nach dem dritten Absatz der Präambel des Übereinkommens von Montreal erkennen dessen Vertragsstaaten die „Bedeutung des Schutzes der Verbraucherinteressen bei der Beförderung im internationalen Luftverkehr und eines angemessenen Schadensersatzes nach dem Grundsatz des vollen Ausgleichs” an.

Rz. 4

Im fünften Absatz dieser Präambel heißt es:

„… gemeinsames Handeln der Staaten zur weiteren Harmonisierung und Kodifizierung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr durch ein neues Übereinkomme...

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