Entscheidungsstichwort (Thema)

Unionsbürgerschaft. Grundsatz der Nichtdiskriminierung. Nationale gesetzliche Regelung, die Inländern einen Anspruch auf Überbrückungsgeld nur gewährt, wenn die höhere Schulbildung an einer Lehranstalt im Inland abgeschlossen wurde. Inländer auf der Suche nach einer ersten Anstellung, der seine höhere Schulbildung an einer Lehranstalt eines anderen Mitgliedstaats abgeschlossen hat

 

Beteiligte

D'Hoop

Marie-Nathalie D'Hoop

Office national de l'emploi

 

Tenor

Das Gemeinschaftsrecht verwehrt es einem Mitgliedstaat, einem seiner Staatsangehörigen, der als Student auf der Suche nach einer ersten Beschäftigung ist, den Anspruch auf Überbrückungsgeld nur aus dem Grund zu versagen, dass er seine höhere Schulbildung in einem anderen Mitgliedstaat abgeschlossen hat.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-224/98

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Tribunal du travail Lüttich (Belgien) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Marie-Nathalie D'Hoop

gegen

Office national de l'emploi

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) und Artikel 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2)

erlässt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter), der Kammerpräsidentin F. Macken und des Kammerpräsidenten S. von Bahr sowie der Richter C. Gulmann, D. A. O. Edward, A. La Pergola, R. Schintgen, V. Skouris, J. N. Cunha Rodrigues und C. W. A. Timmermans,

Generalanwalt: L. A. Geelhoed

Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

  • der Frau D'Hoop, vertreten durch Rechtsanwälte N. Simar und M. Strongylos,
  • des Office national de l'emploi, vertreten durch Rechtsanwalt J.-E. Derwael,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch J. Devadder als Bevollmächtigten,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Wolfcarius und P. J. Kuijper als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Frau D'Hoop, vertreten durch Rechtsanwälte M. Strongylos und R. Capart, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch D. Wyatt, QC, und der Kommission, vertreten durch M. Wolfcarius und D. Martin als Bevollmächtigte in der Sitzung vom 20. Oktober 2001,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Februar 2002,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1.

Das Tribunal du travail Lüttich hat mit Urteil vom 17. Juni 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Juni 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) eine Frage nach der Auslegung von Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) und Artikel 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.

Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau D'Hoop (im Folgenden: Klägerin) und dem Office national de l'emploi (im Folgenden: ONEM) über dessen Entscheidung, der Klägerin die Gewährung eines nach belgischem Recht vorgesehenen Überbrückungsgelds zu verweigern.

Das nationale Recht

3.

Nach belgischem Recht erhalten Schulabgänger auf der Suche nach ihrer ersten Beschäftigung Überbrückungsgeld genannte Leistungen bei Arbeitslosigkeit.

4.

Aufgrund dieser Leistungen werden die Begünstigten im Sinne der Bestimmungen über die Beschäftigung und die Arbeitslosigkeit als Arbeitnehmer, die wegen Vollarbeitslosigkeit Leistungen erhalten, angesehen und können an besonderen Beschäftigungsprogrammen teilnehmen.

5.

Artikel 36 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Königlichen Verordnung vom 25. November 1991 zur Regelung der Arbeitslosigkeit (Moniteur belge vom 31. Dezember 1991, S. 29888) bestimmt:

Der Schulabgänger hat Anspruch auf das Überbrückungsgeld, wenn er folgende Voraussetzungen erfüllt:

  1. Er ist nicht mehr schulpflichtig;
    1. er hat entweder eine Schulbildung mit Vollzeitunterricht der Sekundarstufe II oder der fach- oder berufsbildenden Sekundarstufe I an einer von einer Gemeinschaft errichteten, anerkannten oder subventionierten Lehranstalt abgeschlossen;

6.

Mit Urteil vom 12. September 1996 in der Rechtssache C-278/94 (Kommission/Belgien, Slg. 1996, I-4307) hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 48 EG-Vertrag und Artikel 7 der Verordnung Nr. 1612/68 verstoßen habe, dass es dieGewährung des Überbrückungsgelds an unterhaltsberechtigte Kinder von in Belgien wohnhaften Wanderarbeitnehmern aus der Gemeinschaft davon abhängig gemacht habe, dass diese ihre höhere Schulbildung an einer vom belgischen Staat oder von einer seiner Gemeinschaften subventionierten oder anerkannten Lehranstalt abgeschlossen hätten.

7.

Mit der Königlichen Verordnung vom 13. Dezember...

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