Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Bestimmung des für die Entscheidung über eine Klage auf Ausgleichszahlung wegen eines verspäteten Fluges zuständigen Gerichts. Betrieb einer Zweigniederlassung. Stillschweigende Vereinbarung. Notwendigkeit der Einlassung des Beklagten

 

Normenkette

Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 Art. 7 Nr. 5, Art. 26

 

Beteiligte

Ryanair

ZX

Ryanair DAC

 

Tenor

1. Art. 7 Nr. 5 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass ein Gericht eines Mitgliedstaats für die Entscheidung über einen Rechtsstreit über eine nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 erhobene und gegen eine Fluggesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat gerichtete Klage auf Ausgleichszahlung nicht deshalb zuständig ist, weil diese Gesellschaft im Gerichtsbezirk des angerufenen Gerichts über eine Zweigniederlassung verfügt, ohne dass diese an dem Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem betreffenden Fluggast beteiligt ist.

2. Art. 26 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 ist dahin auszulegen, dass er in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, in dem der Beklagte keine Stellungnahme abgegeben oder sich nicht eingelassen hat, nicht anwendbar ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Mercantil n° 1 de Gerona (Handelsgericht Nr. 1 Gerona, Spanien) mit Entscheidung vom 9. Juli 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Juli 2018, in dem Verfahren

ZX

gegen

Ryanair DAC

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter A. Rosas und M. Safjan,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der spanischen Regierung, vertreten durch L. Aguilera Ruiz als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Heller und S. Pardo Quintillán als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Nr. 5 und Art. 26 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen ZX, einem Fluggast, und der Fluggesellschaft Ryanair DAC über eine von ZX infolge eines verspäteten Fluges erhobene Klage auf Ausgleichszahlung.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 sieht vor:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.”

Rz. 4

In Art. 7 der Verordnung Nr. 1215/2012 heißt es:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

1. a) wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;

b) im Sinne dieser Vorschrift – und sofern nichts anderes vereinbart worden ist – ist der Erfüllungsort der Verpflichtung

  • für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen;
  • für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen;

c) ist Buchstabe b nicht anwendbar, so gilt Buchstabe a;

5. wenn es sich um Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung handelt, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich diese befindet;

…”

Rz. 5

Kapitel II Abschnitt 4 („Zuständigkeit bei Verbrauchersachen”) der Verordnung Nr. 1215/2012 enthält Art. 17, der bestimmt:

„(1) Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 6 und des Arti...

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