Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Zusammenarbeit in Zivilsachen. Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke. Fehlen einer Übersetzung des Schriftstücks. Folgen

 

Beteiligte

Leffler

Götz Leffler

Berlin Chemie AG

 

Tenor

1. Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten ist dahin auszulegen, dass der Absender eines Schriftstücks dann, wenn dessen Empfänger es mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass es nicht in einer Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats oder in einer Sprache des Übermittlungsstaats, die er verstehe, abgefasst sei, diesen Mangel dadurch heilen kann, dass er die geforderte Übersetzung übersendet.

2. Artikel 8 der Verordnung Nr. 1348/2000 ist dahin auszulegen, dass dann, wenn der Empfänger eines Schriftstücks dieses mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass es nicht in einer Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats oder in einer Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats, die er verstehe, abgefasst sei, dieser Mangel dadurch geheilt werden kann, dass die Übersetzung des Schriftstücks nach den in der Verordnung Nr. 1348/2000 vorgesehenen Modalitäten so schnell wie möglich übersandt wird.

Zur Lösung der Probleme, die damit zusammenhängen, wie das Fehlen einer Übersetzung zu heilen ist, und die nicht in der Verordnung Nr. 1348/2000, so wie diese vom Gerichtshof ausgelegt wird, geregelt sind, hat das nationale Gericht sein nationales Verfahrensrecht anzuwenden und gleichzeitig dafür Sorge zu tragen, dass die volle Wirksamkeit dieser Verordnung unter Beachtung ihrer Zielsetzung gewährleistet wird.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach den Artikeln 68 EG und 234 EG, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 17. Oktober 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Oktober 2003, in dem Verfahren

Götz Leffler

gegen

Berlin Chemie AG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas (Berichterstatter) und J. Malenovský, der Richter S. von Bahr und J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter K. Lenaerts, E. Juhász, G. Arestis, A. Borg Barthet und M. Ilešič,

Generalanwältin: C. Stix-Hackl,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. April 2005,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Leffler, vertreten durch D. Rijpma und R. Bakels, advocaten,
  • der Berlin Chemie AG, vertreten durch A. Hagedorn, B. Gabriel und J. I. van Vlijmen, advocaten,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und C. M. Wissels als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing als Bevollmächtigten,
  • der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und A. Bodard-Hermant als Bevollmächtigte,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und M. Fernandes als Bevollmächtigte,
  • der finnischen Regierung, vertreten durch T. Pynnä als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und R. Troosters als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 28. Juni 2005

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Artikels 8 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (ABl. L 160, S. 37; im Folgenden: Verordnung).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits von Götz Leffler, wohnhaft in den Niederlanden, gegen die Gesellschaft deutschen Rechts Berlin Chemie AG (im Folgenden: Berlin Chemie) über die Aufhebung der Pfändungen, die diese Firma bei Herrn Leffler vorgenommen hat.

Rechtlicher Rahmen

3 Durch die Verordnung soll die Wirksamkeit und die Schnelligkeit gerichtlicher Verfahren dadurch verbessert werden, dass der Grundsatz einer direkten Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke aufgestellt wird.

4 Vor dem Inkrafttreten der Verordnung waren die meisten Mitgliedstaaten an das Haager Übereinkommen vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen gebunden, das einen Mechanismus der Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen schafft, der die Zustellung eines Schriftstücks über eine zentrale Behörde ermöglicht. Außerdem sah Artikel IV des Protokolls, das dem Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der durch die Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten...

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