Entscheidungsstichwort (Thema)

Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Verordnung (EG) Nr. 1348/2000. Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke. Fehlende Übersetzung der Anlagen des Schriftstücks. Folgen

 

Beteiligte

Weiss und Partner

Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR

Industrie- und Handelskammer Berlin

 

Tenor

1. Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten ist dahin auszulegen, dass der Empfänger eines zuzustellenden verfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht berechtigt ist, dessen Annahme zu verweigern, sofern es diesen Empfänger in die Lage versetzt, im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens im Übermittlungsmitgliedstaat seine Rechte geltend zu machen, wenn diesem Schriftstück Anlagen beigefügt sind, die aus Beweisunterlagen bestehen, die nicht in der Sprache des Empfangsmitgliedstaats oder einer Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats, die der Empfänger versteht, abgefasst sind, aber lediglich Beweisfunktion haben und für das Verständnis von Gegenstand und Grund des Antrags nicht unerlässlich sind.

Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob der Inhalt des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ausreicht, es dem Beklagten zu ermöglichen, seine Rechte geltend zu machen, oder ob es dem Absender obliegt, dem Fehlen einer Übersetzung einer unerlässlichen Anlage abzuhelfen.

2. Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1348/2000 ist dahin auszulegen, dass der Umstand, dass der Empfänger eines zugestellten Schriftstücks in Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit in einem Vertrag mit dem Antragsteller vereinbart hat, dass der Schriftverkehr in der Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats geführt wird, keine Vermutung für Sprachkenntnisse begründet, sondern ein Anhaltspunkt ist, den das Gericht berücksichtigen kann, wenn es prüft, ob der Empfänger die Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats versteht.

3. Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1348/2000 ist dahin auszulegen, dass sich der Empfänger eines zugestellten Schriftstücks jedenfalls nicht auf diese Vorschrift berufen kann, um die Annahme von Anlagen eines Schriftstücks zu verweigern, die nicht in der Sprache des Empfangsmitgliedstaats oder einer Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats abgefasst sind, die der Empfänger versteht, wenn er in Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit einen Vertrag geschlossen und darin vereinbart hat, dass der Schriftverkehr in der Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats geführt wird, und die Anlagen sowohl diesen Schriftverkehr betreffen als auch in der vereinbarten Sprache abgefasst sind.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach den Art. 68 EG und 234 EG, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 21. Dezember 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Januar 2007, in dem Verfahren

Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR

gegen

Industrie- und Handelskammer Berlin,

Beteiligte:

Nicholas Grimshaw & Partners Ltd,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas (Berichterstatter) sowie der Richter U. Lõhmus und J. Klučka, der Richterin P. Lindh und des Richters A. Arabadjiev,

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR, vertreten durch Rechtsanwalt N. Tretter,
  • der Industrie- und Handelskammer Berlin, vertreten durch Rechtsanwalt H. Raeschke-Kessler,
  • der Nicholas Grimshaw & Partners Ltd, vertreten durch Rechtsanwälte P.-A. Brand und U. Karpenstein,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch T. Boček als Bevollmächtigten,
  • der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und A.-L. During als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,
  • der slowakischen Regierung, vertreten durch J. Čorba als Bevollmächtigten,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch W. Bogensberger, dann durch A.-M. Rouchaud-Joët und S. Grünheid als Bevollmächtigte,
  • nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 29. November 2007

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (ABl. L 160, S. 37).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Industrie- und Handelskammer Berlin (im Folgenden: IHK Berlin) und dem Architektenbüro Nicholas Grimshaw & Partners Ltd (im Folgenden: Büro Grimshaw), einer Gesellschaft englischen Rechts, wegen einer Schadensersatzklage wegen mangelhafter Planun...

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