Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen. Zuständigkeit für Verbraucherverträge. Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Art. 15 Abs. 1 Buchst. c. Etwaige Beschränkung dieser Zuständigkeit auf im Fernabsatz geschlossene Verträge

 

Beteiligte

Mühlleitner

Daniela Mühlleitner

Ahmad Yusufi

Wadat Yusufi

 

Tenor

Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass er nicht verlangt, dass der Vertrag zwischen Verbraucher und Unternehmer im Fernabsatz geschlossen wurde.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 23. März 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 22. April 2011, in dem Verfahren

Daniela Mühlleitner

gegen

Ahmad Yusufi,

Wadat Yusufi

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richter K. Schiemann und L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von D. Mühlleitner, vertreten durch Rechtsanwalt C. Schönhuber,
  • von A. Yusufi und W. Yusufi, vertreten durch die Rechtsanwälte U. Schwab und G. Schwab,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vlácil als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Russo, avvocato dello Stato,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar und B. Majczyna als Bevollmächtigte,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. I. Fernandes und S. Nunes de Almeida als Bevollmächtigte,
  • der Schweizerischen Eidgenossenschaft, vertreten durch D. Klingele als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Mai 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1, im Folgenden: Brüssel-I-Verordnung).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Daniela Mühlleitner auf der einen und Ahmad und Wadat Yusufi auf der anderen Seite über die Wandlung eines Kaufvertrags über ein Kraftfahrzeug wegen versteckter Mängel, die Rückzahlung des Kaufpreises und Schadensersatz.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 des Übereinkommens von Brüssel vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der Fassung der Übereinkommen über den Beitritt der neuen Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen) bestimmt:

„Für Klagen aus einem Vertrag, den eine Person zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person (Verbraucher) zugerechnet werden kann, bestimmt sich die Zuständigkeit, unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5, nach diesem Abschnitt,

3. für andere Verträge, wenn sie die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben, sofern

  1. dem Vertragsabschluss in dem Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist und
  2. der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat.”

Rz. 4

Nach dem 13. Erwägungsgrund der Brüssel-I-Verordnung sollte bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.

Rz. 5

Art. 2 der Brüssel-I-Verordnung stellt den Grundsatz auf, dass Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen sind.

Rz. 6

Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Brüssel-I-Verordnung bestimmt:

„Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt,

c) … wenn der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diese...

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