Entscheidungsstichwort (Thema)

Niederlassungsfreiheit. Gesundheit der Bevölkerung. Nationale Regelung, nach der verschreibungspflichtige Arzneimittel, die vollständig zulasten des Käufers gehen, nicht in Apotheken verkauft werden dürfen

 

Normenkette

AEUV Art. 49

 

Beteiligte

Venturini

Alessandra Venturini

Maria Rosa Gramegna

Anna Muzzio

Regione Lombardia

Ministero della Salute

Agenzia Italiana del Farmaco (AIFA)

ASL Varese

Comune di Saronno

ASL Lodi

Comune di Sant'Angelo Lodigiano

 

Tenor

Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, die es einem Apotheker, der zwar zugelassen und bei der Berufskammer eingetragen, jedoch nicht Inhaber einer im „Organisationsplan” aufgenommenen Apotheke ist, nicht erlaubt, in einer Verkaufsstelle für parapharmazeutische Produkte, deren Inhaber er ist, auch diejenigen verschreibungspflichtigen Arzneimittel im Einzelhandel zu vertreiben, deren Kosten nicht vom nationalen Gesundheitsdienst, sondern vollständig vom Käufer getragen werden.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia (Italien) mit Entscheidungen vom 29. Februar 2012 bzw. vom 15. März 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 2. April 2012, in den Verfahren

Alessandra Venturini

gegen

ASL Varese,

Ministero della Salute,

Regione Lombardia,

Comune di Saronno,

Agenzia Italiana del Farmaco (AIFA)(C-159/12),

und

Maria Rosa Gramegna

gegen

ASL Lodi,

Ministero della Salute,

Regione Lombardia,

Comune di Sant'Angelo Lodigiano,

Agenzia Italiana del Farmaco (AIFA)(C-160/12),

sowie

Anna Muzzio

gegen

ASL Pavia,

Ministero della Salute,

Regione Lombardia,

Comune di Bereguardo,

Agenzia Italiana del Farmaco (AIFA)(C-161/12),

Beteiligte:

Federfarma – Federazione Nazionale Unitaria dei Titolari di Farmacia Italiani (C-159/12 bis C-161/12),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Vierten Kammer, der Richter M. Safjan und J. Malenovský (Berichterstatter) sowie der Richterin A. Prechal,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Venturini, Frau Gramegna und Frau Muzzio, vertreten durch R. Cafari Panico, T. Ugoccioni, und J. F. Brigandí, avvocati,
  • der Federfarma – Federazione Nazionale Unitaria dei Titolari di Farmacia Italiani, vertreten durch M. Luciani, F. Rigano, G. M. Roberti und I. Perego, avvocati,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von F. Urbani Neri, avvocato dello Stato,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch J. García-Valdecasas Dorrego und S. Centeno Huerta als Bevollmächtigte,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und A. P. Antunes als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Montaguti und I. V. Rogalski als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. September 2013

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 49 AEUV.

Rz. 2

Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen Frau Venturini (Rechtssache C-159/12), Frau Gramegna (Rechtssache C-160/12) und Frau Muzzio (Rechtssache C-161/12), drei bei der Ordine dei Farmacisti di Milano (Apothekerkammer Mailand) eingetragenen zugelassenen Apothekerinnen und jeweils Inhaberinnen einer parapharmazeutischen Verkaufsstelle auf der einen Seite und einigen Aziende Sanitarie Locali (ASL) (örtliche Gesundheitsbehörden), und zwar der ASL von Varese (Rechtssache C-159/12), der ASL von Lodi (Rechtssache C-160/12) und der ASL von Pavia (Rechtssache C-161/12), dem Ministero della Salute, der Regione Lombardia, der Comune di Saronno (Rechtssache C-159/12), der Comune di Sant'Angelo Lodigiano (Rechtssache C-160/12) und der Comune di Bereguardo (Rechtssache C-161/12) sowie der Agenzia Italiana del Farmaco (AIFA) auf der anderen Seite wegen der Regelung, die den drei Apothekerinnen verbietet, verschreibungspflichtige Arzneimittel zu verkaufen, deren Kosten nicht vom Servizio Sanitario Nazionale (SSN) (nationaler Gesundheitsdienst), sondern ausschließlich vom Käufer getragen werden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der 26. Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255, S. 22) lautet:

„Diese Richtlinie gewährleistet nicht die Koordinierung aller Bedingungen für die Aufnahme und die Ausübung der Tätigkeiten des Apothekers. Insbesondere sollten die geografische Verteilung der Apotheken und das Abgabemonopol für Arzneimittel weiterhin in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen. Diese Ric...

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