Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen. Rahmenbeschluss 2008/675/JI. Berücksichtigung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen früheren Verurteilung in einem neuen Strafverfahren. Besonderes Verfahren zur Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen strafrechtlichen Verurteilung. Überprüfung und rechtliche Neubewertung der früheren Entscheidung. Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung

 

Normenkette

AEUV Art. 82 Abs. 1

 

Beteiligte

Lada

Dániel Bertold Lada

 

Tenor

Der Rahmenbeschluss 2008/675/JI des Rates vom 24. Juli 2008 zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ergangenen Verurteilungen in einem neuen Strafverfahren ist im Licht von Art. 82 AEUV dahin auszulegen, dass es ihm zuwiderläuft, wenn in einem Mitgliedstaat in einem neuen Strafverfahren gegen eine Person die Berücksichtigung ihrer früheren rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung durch ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats wegen einer anderen Tat von einem besonderen vorherigen Anerkennungsverfahren durch die Gerichte des erstgenannten Mitgliedstaats wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden abhängig gemacht wird.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Szombathelyi Törvényszék (Gerichtshof Szombathely, Ungarn) mit Entscheidung vom 19. Mai 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Juli 2016, in dem Verfahren gegen

Dániel Bertold Lada

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer, der Richterinnen C. Toader und A. Prechal (Berichterstatterin) sowie des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und M. M. Tátrai als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Sipos, R. Troosters und S. Grünheid als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Februar 2018

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 67 und 82 AEUV, des Art. 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, des Art. 54 des am 19. Juni 1990 in Schengen (Luxemburg) unterzeichneten Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. 2000, L 239, S. 19) und des Rahmenbeschlusses 2008/675/JI des Rates vom 24. Juli 2008 zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ergangenen Verurteilungen in einem neuen Strafverfahren (ABl. 2008, L 220, S. 32).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines vor einem ungarischen Gericht eingeleiteten Verfahrens zur Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen rechtskräftigen Verurteilung von Herrn Dániel Bertold Lada.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 2, 5 bis 7 und 13 des Rahmenbeschlusses 2008/675 lauten:

„(2) Am 29. November 2000 hat der Rat entsprechend den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Tampere das Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen angenommen; hierin wird Folgendes vorgesehen: ‚Annahme eines oder mehrerer Rechtsakte, in denen der Grundsatz verankert ist, dass das Gericht eines Mitgliedstaats die in den anderen Mitgliedstaaten ergangenen rechtskräftigen Entscheidungen in Strafsachen heranziehen können muss, um die strafrechtliche Vergangenheit eines Täters bewerten, eine Rückfälligkeit berücksichtigen und die Art der Strafen und die Einzelheiten des Strafvollzugs entsprechend festlegen zu können’.

(5) Als Grundsatz sollte gelten, dass eine in einem anderen Mitgliedstaat nach innerstaatlichem Recht ergangene Verurteilung mit gleichwertigen tatsächlichen bzw. verfahrens- oder materiellrechtlichen Wirkungen versehen werden sollte wie denjenigen, die das innerstaatliche Recht den im Inland ergangenen Verurteilungen zuerkennt. Eine Harmonisierung der in den verschiedenen Rechtsordnungen für frühere Verurteilungen vorgesehenen Rechtswirkungen durch diesen Rahmenbeschluss ist jedoch nicht beabsichtigt und in anderen Mitgliedstaaten ergangene frühere Verurteilungen müssen nur in dem Maße berücksichtigt werden wie im Inland nach innerstaatlichem Recht ergangene Verurteilungen.

(6) Im Gegensatz zu anderen Rechtsinstrumenten bezweckt dieser Rahmenbeschluss nicht, dass in einem Mitgliedstaat gerichtliche Entschei...

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