Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Schengener Grenzkodex. Überwachung der Außengrenzen. Staatsangehörige von Drittstaaten. Abstempeln der Reisedokumente. Ausreisestempel. Bestimmung des Zeitpunkts der Ausreise aus dem Schengenraum. Anmustern von Seeleuten an Bord von langfristig in einem Seehafen liegenden Schiffen

 

Normenkette

EUV 2016/399 Art. 11 Abs. 1

 

Beteiligte

Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Enrôlement des marins dans le port de Rotterdam)

Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid

J. u. a

 

Tenor

Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Unionskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) ist dahin auszulegen, dass in dem Fall, dass ein drittstaatsangehöriger Seemann auf einem langfristig in einem Seehafen eines Staates des Schengenraums liegenden Schiff zur Verrichtung einer Arbeit an Bord anmustert, vor Verlassen des Hafens auf diesem Schiff in den Reisedokumenten dieses Seemanns ein Ausreisestempel – sofern ein solches Abstempeln in diesem Kodex vorgesehen ist – nicht zum Zeitpunkt des Anmusterns angebracht werden muss, sondern wenn der Schiffsführer dieses Schiffs den zuständigen nationalen Behörden die unmittelbar bevorstehende Abfahrt des Schiffs mitteilt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Raad van State (Staatsrat, Niederlande) mit Entscheidung vom 9. Mai 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Mai 2018, in dem Verfahren

Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid

gegen

J. u. a.,

Beteiligte:

C. und H. u. a.,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan (Berichterstatter) sowie der Richter I. Jarukaitis, E. Juhász, M. Ilešič und C. Lycourgos,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juni 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von J. u. a., vertreten durch K. Boele, advocaat,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch P. Huurnink, M. K. Bulterman und M. H. S. Gijzen als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, zunächst vertreten durch T. Henze, R. Kanitz und J. Möller, dann durch die beiden Letzteren als Bevollmächtigte,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch S. Chala, C. Fatourou und G. Konstantinos als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Wils und J. Tomkin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 17. Oktober 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Unionskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. 2016, L 77, S. 1, Berichtigung ABl. 2018, L 272, S. 69, im Folgenden: Schengener Grenzkodex).

Rz. 2

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen dem Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Staatssekretär für Justiz und Sicherheit, Niederlande) (im Folgenden: Staatssekretär) einerseits und J. u. a., drittstaatsangehörigen Seeleuten, andererseits über die Weigerung, deren Reisepässe zum Zeitpunkt ihrer Anmusterung auf langfristig im Hafen von Rotterdam (Niederlande) liegenden Schiffen mit einem Stempel über die Ausreise aus dem Schengenraum zu versehen.

Rechtlicher Rahmen

Schengener Grenzkodex

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 6 und 15 des Schengener Grenzkodex lauten:

„(6) Grenzkontrollen liegen nicht nur im Interesse des Mitgliedstaats, an dessen Außengrenzen sie erfolgen, sondern auch im Interesse sämtlicher Mitgliedstaaten, die die Grenzkontrollen an den Binnengrenzen abgeschafft haben. Grenzkontrollen sollten zur Bekämpfung der illegalen Zuwanderung und des Menschenhandels sowie zur Vorbeugung jeglicher Bedrohung der inneren Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Gesundheit und der internationalen Beziehungen der Mitgliedstaaten beitragen.

(15) Um übermäßige Wartezeiten an den Grenzübergangsstellen zu vermeiden, sollte es möglich sein, bei außergewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen die Kontrollen an den Außengrenzen zu lockern. Dokumente von Drittstaatsangehörigen müssen aber auch bei gelockerten Grenzübertrittskontrollen weiterhin systematisch abgestempelt werden. Anhand der Abstempelung lässt sich mit Sicherheit das Datum und der Ort des Grenzübertritts feststellen, ohne dass in allen Fällen überprüft werden muss, ob die für die Kontrolle der Reisedokumente erforderlichen Maßnahmen durchgeführt worden sind.”

Rz. 4

Art. 1 („Gegenstand und Grundsätze”) dieses Kodex bestimmt:

„Diese Verordnung sieht vor, dass keine Grenzkontrollen in Bezug auf Personen stattfinden, die die Binnengrenzen zwischen den Mitgliedstaaten der Union überschreiten.

Sie legt Regeln für die Grenzkontrollen in Bezug auf Personen fest, die die Außengrenzen der M...

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