Entscheidungsstichwort (Thema)

ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG. BUNDESFINANZHOF. DEUTSCHLAND. ANSAMMLUNG VON KAPITAL. GESELLSCHAFTSTEUER. GEWAEHRUNG EINES ZINSLOSEN DARLEHENS DURCH EINEN GESELLSCHAFTER. Steuerrecht. Harmonisierung. Indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital. Gewährung eines zinslosen Darlehens durch einen Gesellschafter an seine Gesellschaft. Unterwerfung unter die Gesellschaftsteuer. Zulässigkeit. Besteuerungsgrundlage. Ersparte Zinsaufwendungen

 

Leitsatz (amtlich)

Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 69/335 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital erlaubt es den Mitgliedstaaten, ein zinsloses Darlehen, das ein Gesellschafter seiner stark überschuldeten Kapitalgesellschaft gewährt, mit dem Nutzungswert, d. h. mit den ersparten Zinsaufwendungen, deren Höhe vom nationalen Gericht festzustellen ist, der Gesellschaftsteuer zu unterwerfen.

Die Gewährung eines solchen Darlehens bewirkt nämlich aufgrund der sich hieraus ergebenden Ersparnis an Zinsaufwendungen eine Erhöhung des Gesellschaftsvermögens und ist wegen der Stärkung des Wirtschaftspotentials der Gesellschaft geeignet, den Wert der Gesellschaftsanteile zu erhöhen.

 

Normenkette

Richtlinie 69/335 des Rates Art. 4 Abs. 2 Buchst. b

 

Beteiligte

Trave-Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG

Finanzamt Kiel-Nord

 

Tenor

Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 69/335/EWG betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital erlaubt es den Mitgliedstaaten, ein zinsloses Darlehen, das ein Gesellschafter seiner stark überschuldeten Kapitalgesellschaft gewährt, mit dem Nutzungswert, d. h. mit den ersparten Zinsaufwendungen, deren Höhe vom nationalen Gericht festzustellen ist, der Gesellschaftsteuer zu unterwerfen.

 

Gründe

1 Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluß vom 28. Juni 1989, beim Gerichtshof eingegangen am 7. August 1989, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 249, S. 25) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Trave Schiffahrts-Gesellschaft mbH & Co. KG (im weiteren: „Trave GmbH”) und dem Finanzamt Kiel-Nord über die Erhebung von Gesellschaftsteuer auf die Gewährung zinsloser Darlehen an diese Gesellschaft durch ihre Gesellschafter.

3 Die Trave GmbH wurde durch einen Vertrag vom 27. Juni 1975 gegründet, um die Risiken abzudecken, die einer ihrer Gesellschafter aus Anlaß eines grösseren Bauvorhabens eingegangen war. Von 1977 bis 1983 erhielt die Gesellschaft, die erhebliche Verluste erlitt, von ihren Gesellschaftern zinslose Darlehen in Höhe von 131 Millionen DM.

4 Mit Bescheid vom 7. Dezember 1984 erhob das Finanzamt Kiel-Nord von der Trave GmbH Gesellschaftsteuer in Höhe von 361 335 DM gemäß § 2 Absatz 1 Nr. 4 Buchstabe c des Kapitalverkehrsteuergesetzes. Gemäß dieser Bestimmung unterliegt die Überlassung von Gegenständen durch einen Gesellschafter an eine deutsche Kapitalgesellschaft zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung der Gesellschaftsteuer, wenn die Leistungen geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen.

5 Durch das Kapitalverkehrsteuergesetz wurde in der Bundesrepublik Deutschland Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 69/335 des Rates durchgeführt. Diese Bestimmung ermächtigt die Mitgliedstaaten, „die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft durch Leistungen eines Gesellschafters, die keine Erhöhung des Kapitals mit sich bringen, sondern ihren Gegenwert in einer Änderung der Gesellschaftsrechte finden oder geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsanteile zu erhöhen”, der Gesellschaftsteuer zu unterwerfen.

6 Nachdem ihre Klage in der Tatsacheninstanz erfolglos geblieben war, legte die Trave GmbH Revision zum Bundesfinanzhof ein.

7 In seinem Vorlagebeschluß führt der Bundesfinanzhof aus, nach seiner ständigen Rechtsprechung sei der Erfolgsbeitrag für ein Unternehmen als eine Leistung im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 69/335 anzusehen, obwohl die Mehrung des Gesellschaftsvermögens erst mit der Nutzung der Darlehen und der damit verbundenen Ersparnis von Aufwendungen eintrete. Er weist jedoch darauf hin, daß diese Rechtsprechung von einem Teil der deutschen Lehre mit der Begründung kritisiert werde, daß die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens, die nach der betreffenden Gemeinschaftsbestimmung erforderlich sei, die Erhöhung des Reinvermögens der Gesellschaft voraussetze.

8 Da der Bundesfinanzhof die Auslegung des Artikels 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 69/335 für entscheidungserheblich hält, hat er das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Erlaubt Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 69/335/EWG den Mitgliedstaaten, ein zinsloses Darlehen, das ein Gesellschafter seiner stark überschuldeten Kapitalgesellschaft gewährt, mit dem Nutz...

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