Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Rechtsangleichung. Telekommunikationsdienste. Einführung eines offenen Netzzugangs. Gebühren und Abgaben für Einzelgenehmigungen. Übergangsregelung, mit der eine Abgabe eingeführt wird, die über die durch die Richtlinie 97/13/EG zugelassenen hinausgeht. Rechtskraft eines Urteils eines übergeordneten Gerichts, das als unionsrechtswidrig eingestuft wird

 

Normenkette

Richtlinie 97/13/EG

 

Beteiligte

Telecom Italia

Telecom Italia SpA

Ministero dello Sviluppo Economico

Ministero dell'Economia e delle Finanze

 

Tenor

1. Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 97/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. April 1997 über einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, mit der die einem Telekommunikationsunternehmen, das Inhaber einer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestehenden Genehmigung ist, auferlegte Verpflichtung zur Zahlung einer nach dem Umsatz und nicht nur nach den Verwaltungskosten der Ausstellung, Verwaltung, Kontrolle und Durchsetzung der Allgemein- und Einzelgenehmigungen berechneten Abgabe für das Jahr 1998 verlängert wird.

2. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es ein nationales Gericht nicht verpflichtet, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften, aufgrund deren eine gerichtliche Entscheidung Rechtskraft erlangt, abzusehen, selbst wenn dadurch ein Verstoß gegen eine Vorschrift des Unionsrechts abgestellt werden könnte, was für die Betroffenen nicht die Möglichkeit ausschließt, den Staat haftbar zu machen, um auf diesem Wege den rechtlichen Schutz ihrer vom Unionsrecht anerkannten Rechte zu erlangen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium, Italien) mit Entscheidung vom 11. Dezember 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Januar 2019, in dem Verfahren

Telecom Italia SpA

gegen

Ministero dello Sviluppo Economico,

Ministero dell'Economia e delle Finanze

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin), des Richters M. Safjan, der Richterin C. Toader und des Richters N. Jääskinen,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Telecom Italia SpA, vertreten durch F. Lattanzi, avvocato,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigten im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Malferrari und L. Nicolae als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 22 der Richtlinie 97/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. April 1997 über einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste (ABl. 1997, L 117, S. 15).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Telecom Italia SpA einerseits und dem Ministero dello Sviluppo Economico (Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, Italien) und dem Ministero dell'Economia e delle Finanze (Ministerium für Wirtschaft und Finanzen, Italien) andererseits wegen der Telecom Italia auferlegten Verpflichtung, eine auf der Grundlage ihres Umsatzes im Jahr 1998 bemessene Abgabe zu zahlen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 2, 12 und 26 der Richtlinie 97/13 heißt es:

„(2) Nach der Mitteilung der Kommission vom 25. Januar 1995 über die Konsultation zum Grünbuch über die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastruktur und der Kabelfernsehnetze muss durch gemeinschaftsweit geltende Grundsätze sichergestellt werden, dass sich Allgemein- und Einzelgenehmigungen auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stützen und offen, nichtdiskriminierend und transparent sind. Gemäß der Entschließung des Rates vom 18. September 1995 über den künftigen ordnungspolitischen Rahmen für die Telekommunikation … ist die Festlegung gemeinsamer Grundsätze für Allgemein- und Einzelgenehmigungen in den Mitgliedstaaten – gestützt auf ein System ausgewogener Rechte und Pflichten – im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip ein Schlüsselfaktor dieses ordnungspolitischen Rahmens in der Gemeinschaft. Diese Grundsätze sollten alle Genehmigungen umfassen, die für die Erbringung von Telekommunikationsdiensten und für den Aufbau und/oder den Betrieb einer Infrastruktur für Telekommunikationsdienste erforderlich sind.

(12) Die einem Unternehmen für ein Genehmigungsverfahren auferlegten Gebühren oder Abgaben müssen auf objektiven, nichtdiskriminierenden Kriterien beruhen.

(26) Diese Richtli...

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