Entscheidungsstichwort (Thema)

Staatliche Beihilfen. Einer Billigfluggesellschaft von einem öffentlichen Unternehmen, das einen Flughafen betreibt, gewährte Vorteile. Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens. Verpflichtung der Gerichte der Mitgliedstaaten, sich nach der von der Kommission in dieser Entscheidung vorgenommenen Beurteilung hinsichtlich des Vorliegens einer Beihilfe zu richten

 

Normenkette

Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99; AEUV Art. 107-108

 

Beteiligte

Flughafen Lübeck

Flughafen Lübeck GmbH

Air Berlin plc & Co. Luftverkehrs KG

 

Tenor

1. Wenn die Europäische Kommission in Anwendung von Art. 108 Abs. 3 AEUV das in Abs. 2 dieses Artikels vorgesehene förmliche Prüfverfahren hinsichtlich einer in der Durchführung begriffenen nicht angemeldeten Maßnahme eröffnet hat, ist ein mit einem Antrag auf Unterlassung der Durchführung dieser Maßnahme und auf Rückforderung bereits geleisteter Zahlungen befasstes nationales Gericht verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Konsequenzen aus einem eventuellen Verstoß gegen die Pflicht zur Aussetzung der Durchführung dieser Maßnahme zu ziehen.

Zu diesem Zweck kann das nationale Gericht beschließen, die Durchführung der in Rede stehenden Maßnahme auszusetzen und die Rückforderung der bereits gezahlten Beträge anzuordnen. Es kann auch beschließen, einstweilige Maßnahmen zu erlassen, um zum einen die Interessen der beteiligten Parteien und zum anderen die praktische Wirksamkeit der Entscheidung der Kommission, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen, zu wahren.

2. Ein nationales Gericht kann in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren fraglichen das Verfahren nicht bis zum Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens aussetzen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 14. Januar 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Januar 2013, in dem Verfahren

Flughafen Lübeck GmbH

gegen

Air Berlin plc & Co. Luftverkehrs-KG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen, C. G. Fernlund und J. L. da Cruz Vilaça, der Richter G. Arestis, A. Ó Caoimh, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev (Berichterstatter), der Richterinnen C. Toader, M. Berger und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, durch mit Gründen versehenen Beschluss gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 107 AEUV und 108 AEUV.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Flughafen Lübeck GmbH (im Folgenden: Flughafen Lübeck), die den Flughafen Lübeck-Blankensee (Deutschland) betreibt, und der Air Berlin plc & Co. Luftverkehrs-KG (im Folgenden: Air Berlin) wegen der Einstellung und Rückforderung der staatlichen Beihilfen, die der Flughafen Lübeck der Ryanair Ltd (im Folgenden: Ryanair) gewährt habe.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Art. 3 („Durchführungsverbot”) der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] (ABl. L 83, S. 1) lautet:

„Anmeldungspflichtige Beihilfen nach Artikel 2 Absatz 1 dürfen nicht eingeführt werden, bevor die Kommission eine diesbezügliche Genehmigungsentscheidung erlassen hat oder die Beihilfe als genehmigt gilt.”

Rz. 4

Art. 4 („Vorläufige Prüfung der Anmeldung und Entscheidungen der Kommission”) dieser Verordnung bestimmt in seinen Abs. 2 bis 4:

„(2) Gelangt die Kommission nach einer vorläufigen Prüfung zu dem Schluss, dass die angemeldete Maßnahme keine Beihilfe darstellt, so stellt sie dies durch Entscheidung fest.

(3) Stellt die Kommission nach einer vorläufigen Prüfung fest, dass die angemeldete Maßnahme, insoweit sie in den Anwendungsbereich des Artikels [107 Absatz 1 AEUV] fällt, keinen Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gibt, so entscheidet sie, dass die Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist. …

(4) Stellt die Kommission nach einer vorläufigen Prüfung fest, dass die angemeldete Maßnahme Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gibt, so entscheidet sie, das Verfahren nach Artikel [108 Absatz 2 AEUV] zu eröffnen (nachstehend ‚Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens’ genannt).”

Rz. 5

Art. 6 („Förmliches Prüfverfahren”) der Verordnung bestimmt in Abs. 1:

„Die Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens enthält eine Zusammenfassung der wesentlichen Sach- und Rechtsfragen, eine vorläufige Würdigung des Beihilfecharakters der geplanten Maßnahme durch die Kommission und Ausführungen über ihre Beden...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge