Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmittel. Zollkodex- Art. 220 Abs. 2 Buchst. b. Nachträgliche Erhebung von Einfuhrabgaben. Absehen von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung von Einfuhrabgaben. Hinweis für Einführer. Gutgläubigkeit

 

Beteiligte

Agrar-Invest-Tatschl / Kommission

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Agrar-Invest-Tatschl GmbH

 

Tenor

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Die Agrar-Invest-Tatschl GmbH trägt die Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 9. Dezember 2008,

Agrar-Invest-Tatschl GmbH mit Sitz in St. Andrä im Lavanttal (Österreich), vertreten durch Rechtsanwalt O. Wenzlaff,

Rechtsmittelführerin,

andere Verfahrensbeteiligte:

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch S. Schønberg als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt B. Wägenbaur, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot sowie des Richters K. Schiemann und der Richterin C. Toader (Berichterstatterin),

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: R. Grass,

nach Anhörung des Generalanwalts

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Agrar-Invest-Tatschl GmbH (im Folgenden: Agrar-Invest-Tatschl) die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 8. Oktober 2008, Agrar-Invest-Tatschl/Kommission (T-51/07, Slg. 2008, II-0000, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung K (2006) 5789 endg. vom 4. Dezember 2006 abgewiesen hat, mit der die Kommission der Europäischen Gemeinschaften u. a. entschieden hatte, dass der Verzicht auf die nachträgliche Erhebung und der Erlass von Einfuhrabgaben in einem besonderen Fall nicht gerechtfertigt seien (im Folgenden: streitige Entscheidung).

Rechtlicher Rahmen

Rz. 2

Mit dem Beschluss 2001/868/EG vom 29. Oktober 2001 (ABl. L 330, S. 1) genehmigte der Rat der Europäischen Union die Unterzeichnung – im Namen der Gemeinschaft – und die vorläufige Anwendung des Interimsabkommens über Handel und Handelsfragen zwischen der Europäischen Gemeinschaft einerseits und der Republik Kroatien andererseits (im Folgenden: Interimsabkommen).

Rz. 3

Gemäß Art. 4 Abs. 1 des Interimsabkommens werden die Einfuhrzölle der Gemeinschaft auf Ursprungserzeugnisse Kroatiens bei Inkrafttreten dieses Abkommens beseitigt.

Rz. 4

Art. 220 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1) in seiner durch die Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 (ABl. L 311, S. 17) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex) bestimmt:

„… [Es] erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn

b) der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat.

Wird der Präferenzstatus einer Ware im Rahmen eines Systems der administrativen Zusammenarbeit unter Beteiligung der Behörden eines Drittlands ermittelt, so gilt die Ausstellung einer Bescheinigung durch diese Behörden, falls sich diese Bescheinigung als unrichtig erweist, als ein Irrtum, der im Sinne des Unterabsatzes 1 vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte.

Die Ausstellung einer unrichtigen Bescheinigung stellt jedoch keinen Irrtum dar, wenn die Bescheinigung auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten seitens des Ausführers beruht, außer insbesondere dann, wenn offensichtlich ist, dass die ausstellenden Behörden wussten oder hätten wissen müssen, dass die Waren die Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung nicht erfüllten.

Der Abgabenschuldner kann Gutgläubigkeit geltend machen, wenn er darlegen kann, dass er sich während der Zeit des betreffenden Handelsgeschäfts mit gebotener Sorgfalt vergewissert hat, dass alle Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung erfüllt worden sind.

Der Abgabenschuldner kann Gutgläubigkeit jedoch nicht geltend machen, wenn die Kommission in einer Mitteilung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften darauf hingewiesen hat, dass begründete Zweifel an der ordnungsgemäßen Anwendung der Präferenzregelung durch das begünstigte Land bestehen.”

Rz. 5

Im elften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2700/2000 wurde die Einführung der Unterabs. 2 bis 5 in Art. 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex wie folgt begründet:

„Es ist erforderlich, für den besonderen Fall der Präferenzbehandlung die Begriffe ‚Irrtum der Zollbehörden’ und ‚Gutgläubigkeit des Abgabenschuldners’ zu definieren. Der Abgabenschuldner sollte nicht für ein schlechtes Funktionieren des Systems infolge eines Irrtums von Drittlandbehörden verantwortlich gemacht werden. Die Ausstellung ein...

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