Leitsatz

Getrennt lebende Eltern stritten um den Kindesunterhalt für das in dem Haushalt des Kindesvaters lebende gemeinsame minderjährige Kind. Ein weiteres gemeinsames minderjähriges Kind lebte bei der Kindesmutter. Zentrales Problem der Entscheidung war die Frage, ob ein Empfänger von Leistungen nach dem SGB II gleichwohl einen anrechnungsfreien Hinzuverdienst erzielen kann, der ihn in die Lage versetzt, zumindest teilweise den Unterhalt für sein Kind aufzubringen.

 

Sachverhalt

Die Parteien waren seit 1991 verheiratet und lebten sei November 2007 getrennt. Der Kläger machte ggü. der Beklagten Ansprüche auf Zahlung von Mindestunterhalt ab März 2008 für das bei ihm lebende und im Jahre 1992 geborene Kind geltend. Das weitere gemeinsame und im Jahre 1997 geborene Kind lebte bei der Beklagten.

Die Beklagte war zunächst nicht mehr berufstätig, nachdem sie nach dem Ende der Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten, die sie im August 2001 mit der Note ausreichend abgeschlossen hatte, nicht übernommen worden war. Von April 1995 bis August 1998 arbeitete sie als Reinigungskraft mit einem Verdienst von 800,00 DM netto. In der Zeit von Februar 2001 bis März 2002 war sie im Umfang von 15 Stunden pro Woche als Kassiererin im Rahmen einer Aushilfstätigkeit zu einem Stundenlohn von 5,00 EUR netto beschäftigt. Hieran schloss sich bis ins Jahr 2006 - gemeinsam mit dem Kläger - eine Tätigkeit als Gärtnerin für eine Hausverwaltung an. Hierbei übernahm die Beklagte vornehmlich die gärtnerisch gestaltenden Arbeiten, während der Kläger die schwereren Arbeiten durchführte. Die Beklagte führte die Gartenarbeiten noch bis zur Beendigung des Vertrages im November 2007 fort. In der Zeit von Februar bis Ende April 2008 absolvierte sie ein durch die ARGE vermitteltes Bewerbungstraining. Seit Juni 2008 war sie für 15 bis 18 Stunden wöchentlich mit einem Stundenlohn von 5,66 EUR im Rahmen eines Minijobs und monatlichen Einkünften von 367,90 EUR beschäftigt. Die Entfernung zur Arbeitsstelle betrug 6 km. Daneben erhielt sie zur Sicherung des Lebensunterhalts - neben den Kosten für Unterhalt und Heizung - von der ARGE nach dem SGB II unter Berücksichtigung der erzielten Erwerbseinkünfte monatlich 199,57 EUR.

Das AG hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger für das bei ihm lebende Kind ab März 2008 monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 145,00 EUR zu zahlen und ist dabei von einer Obliegenheit der Beklagten zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit ausgegangen. Unter Einsatz von teilweise fiktiven Einnahmen hat es ihr ein monatliches Nettoeinkommen i.H.v. 1.100,00 EUR angerechnet und diese um 5 % berufsbedingte Aufwendungen bereinigt.

Hiergegen wandte sich die Beklagte mit der Berufung. Ihr Rechtsmittel war erfolgreich.

 

Entscheidung

Das OLG kam zu dem Ergebnis, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von Kindesunterhalt wegen Leistungsunfähigkeit der Beklagten nicht zu. Sie verfüge nicht über Erwerbseinkommen, welches zu einer Leistungsfähigkeit führen würde. Eine Leistungsfähigkeit ergebe sich auch nicht über eine Einkommensfiktion. Ihr sei zurzeit hinsichtlich des Umfangs allenfalls eine Tätigkeit von 30 Stunden in der Woche unterhaltsrechtlich zuzumuten. Dies ergebe die aufgrund der Rechtslage seit dem 1.1.2008 unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung.

Eine maßgebliche Rolle spiele das Erfordernis der Versorgung des bei der Beklagten lebenden 11-jährigen Kindes, dessen Wechsel zur weiterführenden Schule gerade erst stattgefunden habe. Dies habe zu einer erhöhten zeitlichen Beanspruchung der Beklagten geführt, zumal der Schulbeginn sich vorliegend als äußerst problematisch darstelle. Das Zeugnis des ersten Halbjahres verdeutliche, dass es zu erheblichen schulischen Defiziten und Schwierigkeiten gekommen sei, welche den von der Beklagten dargelegten besonderen Aufwand bei der Betreuung nachvollziehbar belegten. Aufgetretene Defizite bei dem Kind könnten nicht durch die Übermittagsbetreuung aufgefangen werden. Aus dem Zeugnis ergebe sich vielmehr das Erfordernis einer intensiven Nachbereitung des Unterrichtsstoffes durch die Beklagte als betreuenden Elternteil. Hierbei sei sie weitgehend auf sich alleine gestellt.

Aus der allenfalls in Betracht kommenden Berufstätigkeit von etwa 30 Wochenstunden könne die Beklagte keine Einkünfte erzielen, die den ggü. ihrem Kind bestehenden notwendigen Selbstbehalt von 900,00 EUR überstiegen. Ein Stundenlohn von mehr als 8,00 EUR sei für die Beklagte nicht realisierbar. Zurzeit bestehe lediglich als ungelernte Arbeitskraft eine realistische Beschäftigungschance. Bei einer anzusetzenden Arbeitszeit von durchschnittlich 130 Stunden und einem sich daraus ergebenden Bruttoeinkommen von allenfalls 1.040,00 EUR verbleibe nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben ein Betrag von netto ca. 820,00 EUR im Jahre 2008 und ca. 825,00 EUR im Jahre 2009.

Bessere Verdienstmöglichkeiten seien für die Beklagte jedenfalls zurzeit nicht eröffnet.

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