Leitsatz

Das OLG gewährte einer geschiedenen Ehefrau Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Unterhaltsklage gegen ihren geschiedenen Ehemann. In der Sache ging es um ihre Erwerbsobliegenheit neben der Betreuung eines Kleinkindes, um die verminderte Anrechnung ihres Einkommens oder einen Betreuungsbonus sowie um die mögliche Verwirkung ihres Unterhaltsanspruchs.

 

Sachverhalt

Geschiedene Eheleute stritten um den nachehelichen Unterhalt. Die an schweren Depressionen erkrankte Klägerin verlangte Betreuungsunterhalt. Die gemeinsamen Kinder der Parteien waren beide über drei Jahre alt. Vor ihrer Erkrankung arbeitete die Klägerin im Umfang von 33 Stunden wöchentlich und vertrat die Auffassung, dies sei überobligatorisch.

Das erstinstanzliche Gericht hat ihren Prozesskostenhilfeantrag für eine beabsichtigte Unterhaltsklage zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich ihre sofortige Beschwerde.

 

Entscheidung

Das OLG bejahte einen Anspruch der Klägerin aus § 1572 BGB wegen ihrer Erkrankung, gab jedoch für den Zeitpunkt, von dem sie ihre Erwerbstätigkeit wiedererlangt haben werde, deutliche Hinweise.

Für die Annahme, die Aufnahme einer Vollzeittätigkeit sei überobligatorisch, trage die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast. Ihr Vortrag reiche für eine Billigkeitsprüfung nach § 1570 BGB nicht aus. Danach seien die den konkreten Betreuungsbedarf der Kinder bestimmenden Umstände individuell zu würdigen.

Es könne jedoch weder der konkrete Betreuungsbedarf der Kinder, noch der Zeitrahmen, der ihr für eine Erwerbstätigkeit zur Verfügung stehe, bestimmt werden. Es fehlten Angaben über Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit sowie die Fahrzeiten zur Arbeitsstelle. Zudem trage sie nichts zu den Möglichkeiten der Fremdbetreuung vor, die für die Kinder neben der nachschulischen Betreuung tatsächlich in Anspruch genommen würden oder jedenfalls in Anspruch genommen werden könnten.

Der Abzug eines Betreuungsbonus oder die nur teilweise Anrechnung des Einkommens komme im Regelfall nicht mehr in Betracht, sofern das zu betreuende Kind das dritte Lebensjahr vollendet habe. Zu der von der Klägerin vertretenen Auffassung, ihre Tätigkeit sei überobligatorisch, vertrat das OLG die Auffassung, eine tatsächlich ausgeübte Erwerbstätigkeit sei als unzumutbar bzw. überobligatorisch dann anzusehen, wenn derjenige, der diese Tätigkeit ausübe, hierzu unterhaltsrechtlich nicht verpflichtet sei. Eine solche über die Verpflichtung hinausgehende Tätigkeit werde nach dem neuen Unterhaltsrecht in der Regel nicht mehr anzunehmen sein, weil der Umfang der geschuldeten Erwerbstätigkeit nicht mehr nach dem Alter des Kindes oder anderen Kriterien pauschal bestimmt werden könne, sondern sich an den individuellen Gegebenheiten des Einzelfalles orientieren müsse.

Mit der tatsächlichen Ausübung einer Tätigkeit zeige der betreuende Ehepartner in der Regel, dass die Tätigkeit mit der Pflege und Erziehung der Kinder vereinbar sei und in ihrem Umfang der Billigkeit i.S.d. § 1570 BGB entspreche.

Weder der Einsatz eines Betreuungsbonus noch eine lediglich Teilanrechnung von Einkünften könne dann auf das Gesetz gestützt werden.

 

Hinweis

Bis zum dritten Lebensjahr eines Kindes kann zwar vom betreuenden Elternteil die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht verlangt werden, übt er eine solche jedoch freiwillig aus, so stellt sich selbst dann die Frage, inwieweit hieraus fließende Einkünfte unterhaltsrechtlich anzurechnen sind.

Stellt man auf eine zusätzliche Belastung des betreuenden Elternteils ab, stellt sich die Frage, wonach diese zu bemessen und zu bewerten ist. Der BGH stützt den Gesichtspunkt der überobligationsmäßigen Belastung des betreuenden Elternteils als elternbezogenen Verlängerungsgrund i.S.d. § 1570 Abs. 2 BGB auf die nacheheliche Solidarität und damit auf das aus der Ehe hergeleitete Vertrauen.

 

Link zur Entscheidung

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.08.2009, II-8 WF 73/09

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