9.1 Überblick

 

Rz. 594

Durch Insolvenz des Bauträgers[1] kann sich der Bauträgervertrag in 2 Teile spalten[2]: in einen "Grundstückskaufvertrag" und in einen Werkvertrag über die Erstellung des gemeinschaftlichen und des Sondereigentums.[3] Ob dieses der Fall ist, hängt davon ab, wie der Insolvenzverwalter sein Wahlrecht aus § 103 InsO ausübt.

Diese Aufteilung des Bauträgervertrags ist nicht davon abhängig, ob für das Grundstück ein gesonderter Preis ausgewiesen ist.[4]

Überblick

[1] Zur Insolvenz des Bauträgers Ampferl, ZWE 2006 S. 214 ff., 268 ff., 327 ff.; Kesseler, RNotZ 2004 S. 177 ff.; Wudy, MittBayNot 2000 S. 489 ff.
[4] BGH v. 7.11.1980, V ZR 163/79, NJW 1981 S. 991.

9.2 Wahlrecht des Insolvenzverwalters (§ 103 InsO)

 

Rz. 595

Für den Anspruch der Erwerber auf mangelfreie Erstellung des gemeinschaftlichen und des Sondereigentums hat der Insolvenzverwalter ein Wahlrecht, sofern die Vergütung nicht bereits komplett im Voraus, sondern in den entsprechenden Raten nach der Makler- und Bauträgerverordnung gezahlt wurde: Er kann die geschuldete Werkleistung erfüllen. Er kann sie aber auch ablehnen.

 

Rz. 596

Steckengebliebener Bau

Lehnt der Insolvenzverwalter eine Herstellung ab, spricht man von einem steckengebliebenen Bau. Den steckengebliebenen Bau können die Erwerber/Wohnungseigentümer vollenden. Ob ein Erwerber/Wohnungseigentümer auf eine Vollendung einen Anspruch hat, bemisst sich an § 21 Abs. 4 WEG. Umstritten ist, ob dieser Anspruch stets durchsetzbar ist oder ob Einschränkungen gelten und welche Voraussetzungen dann gelten.[1] Nach einer Auffassung kann eine Fertigstellung nur entsprechend den Voraussetzungen des § 22 Abs. 4 WEG (analog) verlangt werden, d. h. wenn das Gebäude bereits zu mehr als der Hälfte erstellt worden ist[2]; jedenfalls müsse die "Opfergrenze" beachtet werden.[3] Nach anderer Ansicht kann gem. § 21 Abs. 3, Abs. 4 WEG eine Fertigstellung in jedem Fall verlangt werden. Hiernach besteht ein Anspruch auf eine ordnungsmäßige Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, wozu die erstmalige Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustands unabhängig vom erreichten Fertigstellungsgrad zähle.[4]

 

Rz. 597

Überzeugend scheint im Ergebnis mit der h. M. eine analoge Anwendung des § 22 Abs. 4 WEG. Dieser beschreibt nämlich die Opfergrenze, wann ein Aufbau verlangt werden kann. Ist diese Grenze nicht erreicht, hat jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Auflösung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

Ein Anspruch aus § 21 Abs. 4 WEG besteht nur, wenn nur die Restfertigstellung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Dazu muss das Ermessen der Wohnungseigentümer reduziert sein; unter anderem ist eine Kosten-Nutzen-Analyse anzustellen.[5] Wollen Erwerber ihre Ansprüche auf Restfertigstellung des gemeinschaftlichen Eigentums durchsetzen, müssen sie die anderen Erwerber außerdem kennen. Im Rahmen der Restfertigstellung eines steckengebliebenen Baus besteht deshalb ein berechtigtes Interesse, in die Grundakten der Mitwohnungseigentümer (inkl. Erwerbsverträgen) Einsicht zu nehmen.[6]

 

Rz. 598

Fraglich ist, ob nur ein Anspruch auf Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums besteht oder ob sich die Verpflichtung auch auf eine Herstellung des Sondereigentums erstreckt.[7] Nach Sinn und Zweck ist es überzeugender, eine Verpflichtung zur Herstellung auch des Sondereigentums anzuerkennen[8], jedenfalls soweit es um den Rohbau geht und keine Sonderwünsche eines Erwerbers zu beachten sind.[9] Eine Herstellung nur des gemeinschaftlichen Eigentums ist letztlich gar nicht vorstellbar.

 

Rz. 599

Kostentragung für die Fertigstellung

Die Kosten der mangelfreien (Erst-)Fertigstellung des gemeinschaftlichen Eigentums sind – soweit bereits eine Wohnungseigentümergemeinschaft, wenigstens eine werdende, entstanden ist – Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung i. S. v. § 16 Abs. 2 WEG und daher von allen Wohnungseigentümern unter Einbeziehung auch des teilenden Eigentümers als Eigentümer der nicht verkauften Wohnungen oder dessen Insolvenzverwalters[10] umzulegen.[11] Dass der insolvente Bauträger zahlungsunfähig ist, rechtfertigt es nicht, ihn von vornherein von einer Kostenbeteiligung auszunehmen.[12] Ohne einen Eigentümerbeschluss, der die Kosten auch auf den teilenden Eigentümer umlegt, könnten gegen diesen keine Ansprüche verfolgt und durchgesetzt werden.[13] Unerheblich für die grundsätzliche Verteilung der Kosten nach § 16 Abs. 2 WEG ist, dass ggf. einer der Wohnungseigentümer vor der Insolvenz mehr an den Bauträger bezahlt hat als andere.[14] Die Überzahlung hat ihren Grund im jeweiligen Erwerbsvertrag und ist dort auszugleichen – soweit die Wohnungseigentümer nicht von § 16 Abs. 4 WEG Gebrauch machen. Eine Anrechnung auf die anteiligen noch aufzuwendenden Fertigstellungskosten kann nicht erfolgen. Der Erwerber muss sich an den Bauträger oder Insolvenzverwalter wenden.

[1] Vgl. allgemein Ott, NZM 2004, S. 134; Riesenberger, FS Deckert [2002], S. 395.
[2] BayObLG v. 20.11....

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