Rz. 523

Der Erwerber eines neu hergestellten oder grundlegend sanierten Wohnungs- oder Teileigentums muss wegen seiner werkvertraglichen Komponente die Werkleistungen des Bauträgers in Bezug auf das gemeinschaftliche und das Sondereigentum gem. § 640 Abs. 1 Satz 1 BGB tatsächlich und rechtlich bei Abnahmereife abnehmen.[1]

[1] Zur Abnahme allgemein im Baurecht siehe u. a. Hartung, NJW 2007 S. 1099 ff.; zur Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums siehe zuletzt Hogenschurz, MietRB 2012 S. 126; Sterner, BauR 2012 S. 1160; Rapp, MittBayNot 2012 S. 169; Vogel, NZM 2010 S. 377; Ott, ZWE 2010 S. 157.

4.4.1.1 Begriff

 

Rz. 524

Unter Abnahme versteht man im Werkvertragsrecht nach der Rechtsprechung die körperliche Hinnahme des Werks (Besitzübertragung) verbunden mit dessen Anerkennung durch den Auftraggeber als zumindest in der Hauptsache vertragsgemäßen Leistung des Bauunternehmers.[1] Die körperliche Hinnahme ist ausgeschlossen, wenn sich das Werk bereits im Besitz des Bestellers befindet, wie etwa bei Arbeiten an einem Gebäude. Dann beschränkt sich die Abnahme auf die Billigung.[2]

[2] Vgl. Hartung, NJW 2007 S. 1099.

4.4.1.2 Abnahmereife

 

Rz. 525

Der Bauträger kann eine Abnahme grundsätzlich erst dann verlangen, wenn das gesamte, dem einzelnen Erwerber geschuldete Werk abnahmereif und i. S. v. § 640 Abs. 1 BGB vollständig fertiggestellt (das ist nicht mit der Fertigstellung i. S. d. MaBV zu verwechseln) ist.[1] Abnahmereife setzt ein vollständiges, von unwesentlichen Mängeln abgesehen mangelfreies Werk voraus. Ein Werk ist in abnahmefähigem (abnahmereifem) Zustand, wenn eine aus Sicht der Vertragspartner grundsätzlich vollständige Leistung vorliegt, die bei natürlicher Betrachtung als Erfüllung angesehen werden kann.[2] Unerhebliche Mängel berechtigen den Erwerber also nicht zu einer Abnahmeverweigerung. Wenn hingegen wesentliche Mängel vorliegen, kann der Erwerber die Abnahme ablehnen, § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB. Übertragen auf den Bauträgerkauf heißt das, dass der Bauträger von dem einzelnen Erwerber eine Abnahme erst dann verlangen kann, wenn das Sondereigentum und das gemeinschaftliche Eigentum im Wesentlichen vertragsgemäß fertiggestellt sind. Diese Frage ist nach der Rechtsprechung anhand einer Interessenabwägung zu bestimmen. Was wesentlich ist, muss nämlich anhand des konkreten Mangels, der Auswirkungen, den Interessen der Beteiligten und den Umständen des Einzelfalls ermittelt werden.[3]

 

Rz. 526

Für die Zumutbarkeit wird in der Regel auf die Gebrauchstauglichkeit des Werks im Rahmen seiner Zweckbestimmung abgestellt. Wesentliche Mängel liegen dabei vor, wenn die Funktionsfähigkeit der Eigentumswohnung beeinträchtigt ist. Mängel, die die Funktionsfähigkeit hingegen nicht beeinträchtigen, sind regelmäßig nicht wesentlich und stellen die Abnahmefähigkeit der im Übrigen fertiggestellten Leistungen nicht infrage. Für die Abgrenzung von wesentlichen und unwesentlichen Mängeln kann etwa von folgenden Prüfsteinen ausgegangen werden[4]:

Eine Vielzahl von unwesentlichen Mängeln kann im Einzelfall einem wesentlichen Mangel gleichstehen. Behauptet der Auftraggeber, dass ihm ein Abnahmeverweigerungsrecht im Sinne von § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB aufgrund eines oder mehrerer Mängel zusteht, hat der Unternehmer die Darlegungs- und Beweislast, dass der oder die Mängel unwesentlich sind. Wird ein Werk abgenommen, obwohl es noch wesentliche Mängel aufweist, ist die Abnahme dennoch wirksam. Der Auftraggeber verliert sogar seine Rechte aus den §§ 633, 634 BGB, wenn er das hergestellte Werk trotz Kenntnis von dessen Mangelhaftigkeit vorbehaltlos abnimmt.

[1] Müller/Hügel, Beck'sches Formularbuch Wohnungseigentumsrecht O. II Anm. 3.
[3] BGH v. 30.4.1992, VII ZR 185/90, NJW 1992 S. 2481.
[4] OLG München v. 15.1.2008, 13 U 4378/07, BauR 2008 S. 1163.

4.4.1.3 Erklärung der Abnahme

 

Rz. 527

Die rechtsgeschäftliche Abnahme ist eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung.[1] Eine Abnahme kann verschieden erklärt werden:

Dass der Erwerber eine schriftliche oder/und mündliche Abnahme erklärt hat, ist meist problemlos. Schwieriger ist die Frage, wann eine Abnahme durch schlüssiges (konkludentes) Verhalten vorliegt. Diese setzt ein Verhalten voraus, aus dem der Bauträger nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf eine Billigung der Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäße Leistung schließen kann[2]; bloßes Schweigen genügt mangels Erklärungsgehalt nicht.[3] Eine konkludente Abnahme durch die Nutzung einer Werkleistung kann angenommen werden, wenn der Auftraggeber die erbrachten Leistungen über einen gewissen Zeitraum, nämlich mehrere Monate, nutzt und seine rügelose Nutzung aus Sicht des Auftragnehmers als Einverständnis mit der Vertragserfüllung verstanden werden kann.[4] Allein durch die In...

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