Leitsatz

Im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem LG hatte die Klägerin zur Ermittlung entgangenen Gewinns anhand von Jahresabschlüssen, Kalkulationsunterlagen, Preislisten und Verkaufsstatistiken ein Privatgutachten eingeholt, dass sodann zum Gegenstand eines Beweisbeschlusses und zum Gegenstand einer Beweisaufnahme vor dem LG gemacht wurde. In dem nach Abschluss des Prozesses folgenden Kostenfestsetzungsverfahren hat die Rechtspflegerin die Kosten des während des Prozesses eingeholten Privatgutachtens gegen den Beklagten festgesetzt. Hiergegen legte er Beschwerde ein, die keinen Erfolg hatte.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG hielt die Beschwerde für zulässig, jedoch unbegründet.

Die Rechtspflegerin habe zu Recht die Kosten für das von der Klägerin während des Prozesses eingeholten Privatgutachtens festgesetzt.

Zwar gehörten die Kosten eines vorgerichtlichen Privatgutachtens nur ausnahmsweise zu den im Rahmen von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zu erstattenden Kosten; dies gelte erst recht für ein innerprozessual eingeholtes Privatgutachten. Aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO ergebe sich nämlich, dass der unterlegene Gegner die Kosten eines von der Gegenseite eingeholten Privatgutachtens nur zu tragen habe, soweit dieses zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Nach ganz überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur seien im Kostenfestsetzungsverfahren solche Kosten nur ausnahmsweise berücksichtigungsfähig (vgl. z.B. BGH v. 17.12.2002 - VI ZB 56/02, MDR 2003, 413 = BGHReport 2003, 452; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl. 2006, § 91 Rz. 102 Stichwort Gutachten im Prozess; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 91 Rz. 13 Stichwort Privatgutachten, jeweils m.w.N.).

Bei der Frage der Erstattungsfähigkeit von Kosten für ein innerprozessual eingeholtes Privatgutachten sei zu berücksichtigen, dass während des Prozesses eine Beweisaufnahme grundsätzlich nur im Rahmen gerichtlicher Beweisanordnung stattfinde. Die Klärung umstrittener Tatsachenfragen sei nicht Sache der Parteien, sondern des Gerichts in dem nach der ZPO hierfür vorgesehenen Beweisaufnahmeverfahren, so dass die Einholung eines Privatgutachtens nur ausnahmsweise notwendig sei.

Ein solcher Ausnahmefall sei allerdings hier gegeben gewesen. Die Kosten eines innerprozessual eingeholten Privatgutachtens seien nämlich dann erstattungsfähig, wenn die Partei den Sachverständigen einschalten musste, um ihrer Darlegungs- und Beweispflicht zu genügen und wenn die betreffende Partei angesichts eines sehr komplizierten und ihr an sich fremden Prozessstoffes trotz der Einschaltung eines Prozessbevollmächtigten praktisch außerstande sei, ohne zusätzliche Hilfe eines Sachverständigen überhaupt sachgerecht vorzutragen.

Vorliegend sei die Klägerin aufgrund des Hinweises des LG auf sachverständige Hilfe zur Ermittlung des entgangenen Gewinns angewiesen gewesen. Das von ihr eingeholte Privatgutachten habe eine so zentrale Bedeutung für den Rechtsstreit bekommen, dass bei Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls die mit dessen Einholung verbundenen Kosten im Kostenausgleichungsverfahren ausnahmsweise in Ansatz gebracht werden könnten.

 

Link zur Entscheidung

OLG Hamburg, Beschluss vom 13.06.2006, 8 W 7/06

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