Leitsatz

Die Klägerin machte Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 10.8.1999 geltend, bei dem sie schwere Gehirnschädigungen erlitten hatte. Sie befand sich infolge des Unfalls in einem dem äußeren Erscheinungsbild nach einem Wachkoma vergleichbaren Zustand. Nach Behandlung in einer Reha-Einrichtung war die Klägerin seit dem 28.2.2000 in einem Pflegeheim mit einer Spezialstation für Wachkomapatienten untergebracht.

In einem zwischen den Parteien geführten Vorprozess hatte das LG Berlin die Ersatzpflicht der Beklagten für die der Klägerin infolge des Verkehrsunfalls entstandenen Schäden festgestellt. In einem weiteren Rechtsstreit ging es um verschiedene einzelne Schadenspositionen, u.a. die Fahrtkosten, die der Lebensgefährte der Klägerin, der Zeuge K., für regelmäßige Besuche bei ihr für Fahrten von Dessau nach Berlin in der Zeit vom 2.9.2000 bis zum 16.12.2003 i.H.v. insgesamt 15.491,70 EUR aufgewendet hatte.

Das LG hatte die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgte die Klägerin diverse Schadenspositionen - u.a. die Fahrt- und Besuchskosten für die Besuche ihres Lebensgefährten - weiter.

Ihr Rechtsmittel erwies sich in diesem Punkt als weitgehend begründet.

 

Sachverhalt

Siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das KG wies zunächst darauf hin, dass nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung Kosten von Besuchen naher Angehöriger bei stationären Krankenhausaufenthalten des Verletzten den nach § 823 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Heilungskosten zuzuordnen und zu ersetzen seien, wenn die Besuche medizinisch notwendig und die Aufwendungen unvermeidbar seien. Dies müsse auch für Besuche in einem Pflegeheim gelten, wenn die Unterbringung dort auch zu medizinischen Zwecken erfolge und einen Heilungsprozess im Sinne einer Verbesserung des aktuellen Gesundheitszustandes bewirken solle.

Allerdings habe die Rechtsprechung die Erstattungsfähigkeit auf den Kreis der "nächsten" Angehörigen beschränkt. "Nächster Angehöriger" könne auch der Lebensgefährte des Verletzten sein, und zwar auch dann, wenn beide nicht ständig zusammen wohnten.

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme und den Bekundungen des Lebensgefährten der Klägerin als Zeugen war das KG zu der Überzeugung gelangt, dass zwischen der Klägerin und dem Zeugen ein besonderes, sehr nahen Verwandtschaftsverhältnissen vergleichbares Näheverhältnis bestanden habe. Insbesondere die Frequenz der Treffen vor dem Unfall und der gemeinsame Kauf einer Eigentumswohnung in der Absicht, sie auch gemeinsam zu bewohnen, ließen auf eine besondere Vertrautheit und Verbundenheit und damit auf eine einem nahen Verwandtschaftsverhältnis ebenbürtige Nähe schließen.

Dafür spreche auch das Verhalten des Zeugen K. nach dem Unfall. Die häufigen und wegen der Entfernung des Wohnortes des Zeugen vom Wohnort der Klägerin in Berlin auch aufwendigen Besuche über immerhin mehrere Jahre seien ohne ein ganz besonderes Näheverhältnis kaum erklärbar.

Die Kosten des Besuchs des Zeugen K. seien in dem fraglichen Zeitraum auch zur Besserung des Zustandes der Klägerin unter Zugrundelegung ihrer Befindlichkeit medizinisch notwendig gewesen (vgl. etwa BGH, Urt. v. 19.2.1991 - VI ZR 171/90, NJW 1991, 2340 ff.),

Allerdings sei die Klägerin nach dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen irreversibel geschädigt und habe schwerste, nicht heilbare Gehirnverletzungen mit Substanzverlusten erlitten. Mit einer grundlegenden Besserung ihres Zustandes sei nicht zu rechnen. Sie sei jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch erlebnisfähig, was in ihren noch feststellbaren Reaktionen zum Ausdruck komme. In dem vom KG eingeholten Ergänzungsgutachten habe der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass es keinen Zweifel gebe, dass sich auch der Zustand schwerst Hirngeschädigter durch intensive pflegerische Zuwendung funktionell verbessern könne. Der Sachverständige habe dazu weiter ausgeführt, es sei wahrscheinlich, dass die Klägerin ihren Lebensgefährten in einer reduzierten, aber erlebnisfähigen Form habe wahrnehmen können. Sein Besuch hätte über eine Förderung des Wohlbefindens der Klägerin hinaus auch zu möglichen Funktionsverbesserungen beigetragen. Hiervon könne man allerdings erst ab einer Mindestfrequenz von einem Besuch wöchentlich und nur bei einer Dauer von mindestens einem halben Jahr, besser einem Jahr ausgehen.

Aufgrund dessen kam der Senat zu der Überzeugung, dass die Besuche des Zeugen K. nicht nur zur Besserung der Allgemeinbefindlichkeit der Klägerin beigetragen hätten, sondern darüber hinaus medizinisch notwendig waren, um als Bestandteil umfangreicher pflegerischer Maßnahmen einen Heilungseffekt - sei es auch nur in begrenztem Umfang - zu erzielen.

Dabei komme es für die Frage, ob hier ein ersatzfähiger Schaden vorliege, nicht darauf an, ob die Besuche tatsächlich bei der Klägerin eingetretene Funktionsverbesserungen gefördert hätten. Ebenso wie bei Heilbehandlungsmaßnahmen komme es für die Ersatzfähigkeit im Wege des Schadensersatzes nicht auf einen eingetr...

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