Leitsatz

Die Errichtung einer Mobilfunksendeanlage bedarf der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer

 

Normenkette

§§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG

 

Das Problem

  1. Am 23. November 2010 beschließen die Wohnungseigentümer mehrheitlich, der F. GmbH zu gestatten, Antennen zu verlegen und hierzu auf dem Dach des bis dahin nicht mit Mobilfunksendeanlagen versehenen Aufzugshauses 3 Antennenträger zu errichten. Die Wohnungseigentumsanlage besteht aus einem 22-stöckigen Hochhaus mit Flachdach. Auf diesem befinden sich bereits 2 Mobilfunksendeanlagen. Eine der Anlagen wird von der F. GmbH betrieben.
  2. Gegen den Beschluss geht die Wohnungseigentümerin vor, der eine Dachgeschosswohnung und darüber hinaus eine weitere Eigentumswohnung gehört.
  3. Das Amtsgericht Aschaffenburg gibt der Klage statt. Die dagegen gerichtete Berufung zum Landgericht Bamberg bleibt erfolglos. Das Landgericht Bamberg steht auf dem Standpunkt, der Beschluss entspreche nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Als bauliche Veränderung hätte die Errichtung der Mobilfunkanlage nach § 22 Abs. 1 WEG der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer bedurft. Durch die Maßnahme werde die Klägerin über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt. Der allgemeinkundige wissenschaftliche Streit um die Gesundheitsgefahren von Mobilfunkanlagen führe zu Beeinträchtigungen bei der Vermietbarkeit und zu einer Minderung des Verkehrswerts. Das gelte umso mehr mit Blick auf die enge räumliche Beziehung, die zwischen der geplanten Sendeanlage und der Dachgeschosswohnung bestehe. Soweit die anderen Wohnungseigentümer meinen, § 22 Abs. 1 WEG werde von § 22 Abs. 2 und Abs. 3 WEG verdrängt, würden sie übersehen, dass die Sendeanlage nicht im gemeinschaftlichen Eigentum stehe. Mit der zugelassenen Revision möchten die beklagten Wohnungseigentümer die Abweisung der Klage erreichen. Die klagende Wohnungseigentümerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
 

Entscheidung

  1. Die Revision hat keinen Erfolg. Die Erwägungen des Landgerichts hielten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Mit Recht beanstande das Landgericht Bamberg den angefochtenen Beschluss mit der Erwägung, die darin gestattete Anbringung der Mobilfunksendeanlage auf dem Dach des Aufzugshauses hätte nach § 22 Abs. 1 WEG der Zustimmung der Klägerin bedurft.
  2. Das Landgericht Bamberg bejahe zu Recht eine unter § 22 Abs. 1 WEG fallende bauliche Veränderung. Es spreche schon vieles dafür, dass selbst eine – nicht lediglich völlig unerhebliche – Erweiterung einer bereits vorhandenen Anlage an dem bisherigen Standort eine bauliche Veränderung darstelle. Dass dies jedenfalls für die erstmalige Anbringung von Sendeanlagen auf dem bislang nicht mit solchen Anlagen versehenen Dach des Aufzugshauses gilt, liege ebenso auf der Hand wie der Umstand, dass es nicht um eine (modernisierende) Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 22 Abs. 1 und 3, § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG gehe. Ebenso wenig liege eine Modernisierung nach § 22 Abs. 2 WEG vor.
  3. Revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden sei die Würdigung, die bauliche Veränderung stelle eine über die Schwelle des § 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG hinausreichende nachteilige Beeinträchtigung dar. Zumindest der Sache nach lege das Berufungsgericht zutreffend zugrunde, dass nachteilig jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung ist (Verweisung auf BGH v. 14.12.2012, V ZR 224/11, BGHZ 196 S. 45 Rn. 4). Diese müsse zwar konkret und objektiv sein. Eine erhebliche Beeinträchtigung sei aber nicht erforderlich; nur ganz geringfügige Beeinträchtigungen blieben außer Betracht. Entscheidend sei, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen könne (Verweisung auf BGH v. 14.12.2012, V ZR 224/11, BGHZ 196 S. 45 Rn. 4).
  4. Die Bejahung dieser Voraussetzungen lasse Rechtsfehler nicht erkennen. Auf der Grundlage des allgemeinkundigen wissenschaftlichen Streits um die von Mobilfunksendeanlagen ausgehenden Gefahren (Hinweis auf BT-Drs. 14/7958 S. 2 ff.; BGH v. 13.2.2004, V ZR 217/03, NJW 2004 S. 1317, 1319) und der daraus resultierenden Befürchtungen in weiten Teilen der Bevölkerung bestehe zumindest die ernsthafte Möglichkeit einer Minderung des Miet- oder Verkaufswerts von Eigentumswohnungen (Verweisung u.a. auf OLG Karlsruhe, NZM 2006 S. 746; Klein, in Bärmann, WEG, 12. Aufl. 2013, § 14 Rn. 12). Dass die Vermietbarkeit und Verkäuflichkeit von Eigentumswohnungen durch Mobilfunksendeanlagen gegenüber Objekten ohne solche Einrichtungen erschwert sein kann, stelle eine Beeinträchtigung dar, die ein verständiger Wohnungseigentümer nicht zustimmungslos hinnehmen müsse.
  5. Eine andere Beurteilung sei auch nicht mit Blick auf die Regelung des § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB geboten. Danach bestehe zwar im Verhältnis benachbarter Grundstückseigentümer eine Regelvermutung dafür, dass bestimmte Einwirkungen, zu denen auch Strahlenimmissionen gehören, unwesentlich und daher hinzunehmen seien, wenn die einschlä...

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