Sachverhalt

Bei der Klage der EU-Kommission gegen Deutschland ging es um die Frage, ob das deutsche Umsatzsteuerrecht beim Steuersatz für Leistungen, die Solisten und Ensembles erbringen, differenzieren darf. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG gilt der ermäßigte Steuersatz zwar sowohl Leistungen, die von Musikensembles entweder direkt gegenüber dem Publikum oder für Konzertveranstalter erbracht werden, als auch für Leistungen von Solisten, die selbst Veranstalter sind. Die Steuerermäßigung ist jedoch ausgeschlossen für Leistungen, die von Solisten an Konzertveranstalter bewirkt werden.

 

Entscheidung

Der EuGH hat - nach Anhörung des Generalanwalts auf Beschluss, ohne dessen Schlussanträge über den Fall zu entscheiden - geurteilt, dass für die Solistenleistungen an Konzertveranstalter - wie für Ensembles - der ermäßigte Steuersatz gewährt werden muss. Er hebt dabei auf den Grundsatz der Steuerneutralität ab, der einer umsatzsteuerlichen Ungleichbehandlung gleichartiger Waren oder Dienstleistungen entgegen stehe, die miteinander im Wettbewerb stehen. Dieser Grundsatz gelte auch für die Besteuerung mit einem ermäßigten statt mit dem Normalsteuersatz. Nach - nicht näher belegter - Auffassung des EuGH gibt keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Leistungen von Solisten und von Musikensembles nicht identisch oder doch zumindest gleichartig sind. Der Begriff "ausübende Künstler" in Anhang H Nr. 8 der 6. EG-Richtlinie erfasse sowohl Solisten als auch Musikensembles. Die Anzahl der auf der Bühne anwesenden Personen spiele dafür keine Rolle. Nach Meinung des EuGH sind können Inhalt und Struktur einer dargebotenen Musik nicht nach der Anzahl der auftretenden Personen bestimmt werden.

 

Hinweis

Aus dem Urteil, das zwar nicht ausdrücklich, jedoch vom Ergebnis her an die EuGH-Entscheidung vom 3.4.2003, C-144/00 (Matthias Hoffmann) anknüpft (dort hat der EuGH entschieden, dass die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 UStG auch für Leistungen eines Solisten in Betracht kommen kann), kann m.E. Folgendes geschlossen werden: Zwar muss der ermäßigte Steuersatz nicht auf alle in einer Kategorie des Anhangs H der 6. Richtlinie aufgeführten Lieferungen von Gegenständen bzw. Dienstleistungen angewendet werden, wenn der Mitgliedstaat sich für die Steuerermäßigung der jeweiligen Kategorie entschieden hat. Die Steuerermäßigung gilt jedoch generell für eine einzelne in der jeweiligen Kategorie genannte Lieferung von Gegenständen bzw. Dienstleistung, auch wenn sie, wie in der hier streitigen Kategorie 8 von Anhang H der Richtlinie, in verschiedenen Erscheinungsformen vorkommt. Dies gilt jedenfalls nach der jetzigen Entscheidung für die in Kategorie 8 genannten Werke bzw. Darbietungen von ausübenden Künstlern. Hierbei handelt es sich - so im Ergebnis das EuGH-Urteil - um einen einzigen Sachverhalt, der nicht unterschiedlichen Steuersätzen unterliegen darf. Von daher ist m.E. durchaus die Frage zustellen, ob dann nicht auch z.B. Darbietungen von Zauberkünstlern, Zirkusartisten (die nicht eine Tätigkeit als Schausteller ausüben, vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG), selbständigen Balletttänzern, Solokabarettisten (ablehnend BMF, Schreiben v. 22.9.1999, IV D 1 - S 7238 - 2/99, DStR 2000, 824) und anderer vergleichbarer ausübender Künstlern steuerermäßigt sein müssen, wenn die Künstler nicht selbst Veranstalter sind.

Auf jeden Fall steuerermäßigt sind aufgrund des Urteils insbesondere die Leistungen selbständiger Chorsänger/Innen (ablehnend noch BFH v. 14.12.1995, V R 13/95, BStBl II 1996, 386) und selbständiger Instrumentalsolisten (ablehnend noch FG Baden-Württemberg v. 18.10.1995, 12 K 30/90, UR 1998, 159).

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 23.10.2003, C-109/02

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