Der Rücktrittsvorbehalt ist ein wichtiges Instrument der erbrechtlichen Vertragsgestaltung. Er gibt dem Erblasser die Möglichkeit veränderten wirtschaftlichen Umständen Rechnung zu tragen. Die Ausgestaltung des vertraglichen Rücktrittsrechts unterliegt dem Willen der Beteiligten, da § 2298 Abs. 2 BGB lediglich Auslegungsregeln enthält (§ 2298 Abs. 3 BGB). Bei der erbvertraglichen Regelung eines Rücktrittsvorbehalts ist zu unterscheiden zwischen einseitigen und zweiseitigen Erbverträgen. Ein solches Rücktrittsrecht kann sich auf den ganzen Erbvertrag oder auf einzelne vertragsmäßige Verfügungen beziehen.

 
Wichtig

Der Rücktrittsvorbehalt muss im Erbvertrag (ggf. auch in einem Nachtragsvertrag) ausdrücklich[1] enthalten sein.

Auch wenn sich das Recht auf den ganzen Erbvertrag bezieht, bleibt es dem Erblasser unbenommen sein Recht nur teilweise auszuüben und lediglich eine einzelne vertragsmäßige Verfügung außer Kraft zu setzen. Das Rücktrittsrecht kann zudem von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht werden, bedingt oder befristet sein. Es kann aber auch unbeschränkt, ohne jede tatbestandliche Voraussetzung eröffnet werden.[2]

Sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, erlischt das Rücktrittsrecht bei zweiseitigen Erbverträgen nach § 2298 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem Tode des Vertragspartners.

[1] Bloße Motive des Erblassers für einen etwaigen Rücktritt (wie etwa ein Vermögensverfall des Bedachten) genügen nicht, es sei denn, sie sind in der Urkunde hinreichend klar formuliert!
[2] Vgl. Weidlich in Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 2293 Rn. 2.

3.4.5.1 Rücktrittsvorbehalt bei Erbverträgen zwischen Unverheirateten

Bei Erbverträgen zwischen Unverheirateten ist ein Rücktrittsvorbehalt im Regelfall unverzichtbar. Ohne einen solchen Vorbehalt verbliebe den Vertragspartnern nach einer Trennung und wenn sie sich auf eine Aufhebung des Erbvertrages nicht einigen können allein die Möglichkeit den Vertrag gem. § 2078 Abs. 2 BGB aufgrund eines Motivirrtums anzufechten. Denn § 2077 BGB, wonach Verfügungen im Falle der Ehe- oder Verlöbnisauflösung unwirksam sind[1], ist insofern weder unmittelbar noch analog[2] auf nichteheliche Partnerschaften anwendbar.

 

Formulierungsbeispiel:

Rücktrittsvorbehalt bei Erbverträgen zwischen unverheirateten Lebensgefährten

 
III. Erbvertragliche Bindungswirkung/Rücktrittsrecht

(…) Ein jeder behält sich ausdrücklich das Recht vor von diesem Erbvertrag zurückzutreten, ohne dass hierfür ein besonderer Rücktrittsgrund vorzuliegen braucht. Der Rücktritt eines von uns hat die Unwirksamkeit sämtlicher in dieser Urkunde enthaltenen Verfügungen von Todes wegen zur Folge, gleich, ob diese erbvertraglich bindend sind oder nicht. Der Notar hat uns in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der Rücktritt durch Erklärung gegenüber dem anderen Vertragsteil erfolgen muss und diese Erklärung der notariellen Beurkundung bedarf.

[1] Gemäß § 2279 Abs. 2 BGB findet diese Regelung auch bei Erbverträgen Anwendung.
[2] Gegen eine Analogie – insbesondere zu § 2077 Abs. 2 BGB – BayObLG, Beschluss v. 6.9.1983, 1 Z 53/83, FamRZ 1983 S. 1226 ff.

3.4.5.2 Rücktrittsvorbehalt bei Ehegattenerbverträgen

Des Weiteren ist ein Rücktrittsvorbehalt regelmäßig auch bei Erbverträgen unter Ehegatten und noch nach altem Recht eingetragenen Lebenspartnern[1] sinnvoll, insbesondere wenn diese bei Vertragsschluss noch jünger sind und mit einer deutlichen Veränderung ihrer Vermögensverhältnisse in der Zukunft zu rechnen ist.[2] Scheitert die Ehe/eingetragene Lebenspartnerschaft, so sind die Beteiligten in der Regel daran interessiert die Erbenstellung des anderen Partners bereits in der dem Scheidungs- bzw. Aufhebungsverfahren vorausgehenden Trennungszeit zu beseitigen.[3]§ 2077 BGB hilft insofern nicht weiter als diese Vorschrift die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags voraussetzt und daher nur zum Tragen kommt, wenn der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hat.

 

Formulierungsbeispiel:

Rücktrittsvorbehalt bei Ehegattenerbverträgen

 
IV. Erbvertragliche Bindungswirkung/Rücktrittsrecht

(...) Uns ist bekannt, dass wir diesen Erbvertrag, soweit diese Bindungswirkung reicht und vorbehaltlich des nachstehend geregelten Rücktrittsrechts, nur gemeinsam ändern oder aufheben können.

Die weiteren in dieser Urkunde enthaltenen letztwilligen Verfügungen, das heißt die Regelung der Erbfolge nach dem Längstlebenden, unterfallen nicht der erbvertraglichen Bindungswirkung und sollen nur testamentarisch wirken. Diese Verfügungen können demnach von einem jeden von uns jederzeit auch einseitig durch Testament widerrufen werden.

Ein jeder von uns behält sich das Recht vor, von diesem Erbvertrag zurückzutreten, falls die Ehepartner im Sinne des § 1567 Abs. 1 BGB auf Dauer getrennt leben. Der Rücktritt bedarf der notariellen Beurkundung. Mit Zugang der Rücktrittserklärung beim anderen Teil wird dieser Erbvertrag seinem gesamten Inhalt nach unwirksam.

Die Anknüpfung an familienrechtliche Tatbestände, wie etwa das Vorliegen von Scheidungsvoraussetzungen oder Vermögensauseinandersetzungen, erscheint aufgrund der hieraus folgenden Beweisfragen wenig praktikabel, sod...

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