Anknüpfung des Erbschaftsteuerrechts an das Zivilrecht

> BFH vom 10.11.1982 (BStBl 1983 II S. 116) und vom 15.10.1997 (BStBl II S. 820)

Behandlung von Sachleistungsansprüchen aus gegenseitigen Verträgen

> BFH vom 10.4.1991 (BStBl II S. 620), vom 26.6.1991 (BStBl II S. 749) und vom 15.10.1997 (BStBl II S. 820)

Einzelfälle

Verstirbt ein Vertragspartner eines Grundstückskaufvertrages vor der Übertragung des Eigentums, ist es für die Erben von Bedeutung, ob das Grundstück – aus der Sicht der Erben des Verkäufers – noch oder – aus der Sicht der Erben des Käufers – schon in den jeweiligen Nachlass gefallen ist.

Beispiel 1:

V ist Eigentümer eines privat genutzten schuldenfreien Grundstücks, Grundbesitzwert 1 000 000 EUR. Er veräußert das Grundstück mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 1.9.11 an K gegen 1 000 000 EUR in bar, zahlbar in zwei gleichen Raten am 1.12.11 und 1.3.12. V und K vereinbaren den Übergang von Besitz und Gefahr, Nutzungen und Lasten (Lastenwechsel) mit Entrichtung der 1. Rate am 1.12.11. Nach Entrichtung der 2. Rate am 1.3.12 erklären die Beteiligten formgerecht die Auflassung; K erhält zugleich die den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt. Mit Bescheid vom 5.1.12 führt das Lagefinanzamt auf den 1.1.12 eine Zurechnungsfortschreibung des Einheitswerts des Grundstücks auf K als dessen wirtschaftlicher Eigentümer durch (§ 22 Absatz 2 BewG). Die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch erfolgt am 17.5.12.

V verstirbt am I. 10.1.12
  II. 10.4.12

Der Tod des V lässt unabhängig vom Todestag (Besteuerungszeitpunkt, > § 9 ErbStG) die bestehenden vertraglichen Verpflichtungen unberührt; sie gehen auf die Erben über (§ 1922 BGB). Dies gilt gemäß § 857 BGB auch für den Besitz.

Die im Sachverhalt genannten Wirtschaftsgüter sind auf den Besteuerungszeitpunkt wie folgt anzusetzen und zu bewerten (§§ 11, 12 ErbStG):

I. Todestag 10.1.12

Das Grundstück ist wegen des fehlenden Eigentumsübergangs auf K am Besteuerungszeitpunkt mit seinem Steuerwert noch dem Nachlass des V zuzurechnen. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass auf den 1.1.12 auf K im Einheitswertverfahren bereits eine Zurechnungsfortschreibung erfolgt ist. Denn die Frage, wer Eigentümer des Grundstücks im Besteuerungszeitpunkt war, ist im Erbschaftsteuerverfahren besonders zu prüfen, ohne Rücksicht darauf, wer im vorhergegangenen Einheitswertverfahren als Eigentümer des Grundstücks festgestellt worden war.

Die Anzahlung von 500 000 EUR – ausgewiesen in der Regel im Kapitalvermögen – gehört ebenso zum Nachlass wie der Anspruch auf die Gegenleistung (Kaufpreis), soweit dieser am Besteuerungszeitpunkt (10.1.12) noch valutiert. Da der Anspruch auf die Gegenleistung im Nachlass des V zum übrigen Vermögen gehört, ist er gesondert mit dem gemeinen Wert zu erfassen, hier mit (noch) 500 000 EUR. Als Nachlassverbindlichkeit ist auch die noch nicht erfüllte Sachleistungsverpflichtung zur Verschaffung des Eigentums entsprechend mit dem gemeinen Wert anzusetzen, hier 1 000 000 EUR (> R B 9.1 Absatz 1).

II. Todestag 10.4.12

Das Grundstück ist wegen des fehlenden Eigentumsübergangs auf K am Besteuerungszeitpunkt mit seinem Steuerwert noch dem Nachlass des V zuzurechnen. Dem Wertzuwachs im Aktivnachlass infolge der vollständigen Kaufpreiszahlung, die die entsprechende Kaufpreisforderung zum Erlöschen gebracht hat, steht als Nachlassverbindlichkeit in gleicher Höhe (1 000 000 EUR) die noch nicht erfüllte Sachleistungsverpflichtung gegenüber.

Beiden Varianten ist folglich gemein, dass das Grundstück noch in den Nachlass des V gefallen ist, während die Ansätze für die Ansprüche und Verbindlichkeiten aus dem Kaufvertrag sich in Verbindung mit den Vermögenszuflüssen wertmäßig ausgleichen.

Beispiel 2:

V ist Eigentümer eines schuldenfreien Grundstücks, das er als Gewerbetreibender oder Freiberufler betrieblich selbst nutzt, Grundbesitzwert 1 000 000 EUR. Er veräußert das Grundstück mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 1.9.11 an K gegen 1 000 000 EUR in bar, zahlbar in zwei gleichen Raten am 1.12.11 und 1.3.12. V und K vereinbaren den Übergang von Besitz und Gefahr, Nutzungen und Lasten (Lastenwechsel) mit Entrichtung der 1. Rate am 1.12.11. An diesem Tag endet die Selbstnutzung durch V Nach Entrichtung der 2. Rate am 1.3.12 erklären die Beteiligten formgerecht die Auflassung; K erhält zugleich die den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt. Mit Bescheid vom 5.1.12 führt das Lagefinanzamt auf den 1.1.12 eine Zurechnungsfortschreibung des Einheitswerts des Grundstücks auf K als dessen wirtschaftlicher Eigentümer durch (§ 22 Absatz 2 BewG). Die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch erfolgt am 17.5.12.

V verstirbt am I. 10.1.12
  II. 10.4.12

Der Tod des V lässt unabhängig vom Todestag (Besteuerungszeitpunkt, > § 9 ErbStG) die bestehenden vertraglichen Verpflichtungen unberührt; sie gehen auf die Erben über (§ 1922 BGB). Dies gilt gemäß § 857 BGB auch für den Besitz.

Die im Sa...

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