1.2.1 Der Anwendungsbereich

Immer dann, wenn kein Vergleichswert vorliegt oder wenn keine Vergleichsmiete zu ermitteln ist sowie bei sonstigen bebauten Grundstücken, schreibt § 182 Abs. 4 BewG das Sachwertverfahren vor.

1.2.1.1 Besonderheiten des Sachwertverfahrens

Die Ermittlung des Gebäudesachwerts geht zunächst – mangels Vergleichsbasis – von Regelherstellungskosten für das Gebäude aus (§ 190 Abs. 1 BewG), die in der umfangreichen Anlage 24 zum BewG normiert sind. Nachfolgend werden nur die Regelherstellungskosten für Geschäftsgrundstücke mit einer typisierten Gesamt-ND von 70 Jahren bzw. 60 Jahren wiedergegeben. Eine Gesamtnutzungsdauer von 60 Jahren wird z. B. angenommen bei Verwaltungsgebäuden, Bankgebäuden, Schulen, Kindergärten, Alten- und Pflegewohnheimen, Hotels und Sporthallen. Die Gebäude-HK werden pro Bruttogrundfläche ermittelt und sind nach Baujahren gestaffelt.

Nachfolgender amtlicher Auszug illustriert das Verfahren:

Zum Vergleich: Die Regel-HK für Ein- und Zweifamilienhäuser (Baujahr ab 2000; gehobener Ausstattungsstandard; mit Keller) betragen danach zwischen 910 EUR (bei nicht ausgebautem Dachgeschoss) und 1.010 EUR (mit ausgebautem Dachgeschoss bzw. mit Flachdach).

Das weitere Verfahren berücksichtigt nach § 190 Abs. 2 BewG eine Alterswertminderung, die in Abhängigkeit von der typisiert unterstellten wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer (Anlage 22) errechnet wird.

Wie im Ertragswertverfahren werden nun der so ermittelte Gebäudesachwert und der Bodenwert saldiert und mit einer Wertzahl nach Anlage 25 multipliziert (§ 191 BewG). So beträgt beispielsweise die Wertzahl idealtypisch 1,0, wenn der vorläufige Sachwert 200.000 EUR und der dazugehörende Bodenrichtwert zwischen 150 EUR und 200 EUR/m² beträgt.

Je geringer der vorläufige Sachwert ermittelt wird, desto höher fällt die Wertzahl aus (und umgekehrt: bei einem vorläufigen Sachwert > 500.000 EUR und dem identischen Bodenrichtwert (zwischen 150 EUR und 200 EUR) beträgt die Wertzahl 0,6.

Auch der Bodenrichtwert beeinflusst als relative Größe die Wertzahl: Je geringer der Bodenrichtwert, desto höher fällt die Wertzahl aus.

Als Begründung für die zusätzliche Korrektur des vorläufigen Sachwerts anhand der Wertzahlen wird in der amtlichen Begründung hierzu angegeben, dass „mit zunehmender Höhe der Grundstücksinvestition ein wachsender Abschlag vorgenommen werden muss, um den gemeinen Wert richtig abzubilden.

 

Beispiel für das Sachwertverfahren

Vater V überträgt 2009 seinem Sohn S ein 1999 erstelltes unterkellertes Zweifamilienhaus mit Dachgeschoss (nicht ausgebaut). Die Grundstücksfläche beträgt 800 m², der Bodenrichtwert/m² 280 EUR. Die überbaute Fläche beträgt 10 m × 10 m. Das Gebäude hat eine mittlere Ausstattung. Ein Vergleichswert liegt nicht vor, ebenso wenig wie geeignete Sachwertfaktoren.

Lösung:

Für die Ermittlung des gemeinen Werts des Grundstücks ist das Sachwertverfahren heranzuziehen, da kein Vergleichswert vorliegt (§ 182 Abs. 4 Nr. 1 BewG). Im Einzelnen ermittelt sich der gemeine Wert gem. §§ 7 bis 9 GrVO wie folgt:

 
Bodenwert        
Bodenrichtwert/m²   280 EUR    
Grundstücksfläche   800 m²    
Bodenrichtwert × Grundstücksfläche       224.000 EUR
Gebäudewert        

Bruttogrundfläche (BGF)

10 m × 10 m × 4 Geschosse

(Keller, EG, 1. OG, DG)
  400 m²    
Normalherstellungskosten/BGF (Anlage 4 zur GrVO)   740 EUR    
Normalherstellungswert des Gebäudes        
Normalherstellungskosten × BFG     286.000 EUR  
Alterswertminderung        
Gesamtnutzungsdauer
(Anlage 2 GrVO)
80 Jahre      
Bewertungsstichtag 2009      
Baujahr 1999      
Alter des Gebäudes 10 Jahre      
Wertminderung (Alter × 100/Gesamtnutzungsdauer)   12,5 Prozent    
  296.000 EUR x 12,5 Prozent – 37.000 EUR  
Gebäudewert     259.000 EUR 259.000 EUR
Vorläufiger Sachwert       483.000 EUR
Wertzahl (§ 9 Abs. 2 GrVO i. V. m. Anlage 5 zur GrVO)   0,8    
Grundbesitz = gemeiner Wert,
vorläufiger Sachwert × Wertzahl
      386.400 EUR

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