Die Zusammenrechnung des aktuellen Erwerbs mit Vorerwerben innerhalb der letzten zehn Jahre bleibt bestehen.[1]

Bei der zehnjährigen Zusammenrechnung früherer Erwerbe wird eine Mindeststeuer[2] eingeführt (= Abschaffung des Anrechnungsüberhangs).

Folgende Steueranrechnungsregeln sind zu beachten:

  • Von der Steuer für den Gesamtbetrag wird die Steuer abgezogen, die für die früheren Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre.[3]
  • Anstelle der Steuer nach der ersten Regelung ist die tatsächlich für die früheren Erwerbe zu entrichtende Steuer abzuziehen, wenn diese Steuer höher ist.[4]
  • Die sich für den letzten Erwerb ohne Zusammenrechnung mit früheren Erwerben ergebende Steuer darf durch den Abzug der früheren Steuer nicht unterschritten werden (= Mindeststeuer).[5]
 
Hinweis

Anders als nach der bisherigen Berechnung "Berücksichtigung früherer Erwerbe" ist es nicht mehr möglich, dass die auf frühere Erwerbe tatsächlich gezahlte Schenkungsteuer dazu genutzt wird, innerhalb des folgenden Zehnjahreszeitraums weitere Schenkungen vorzunehmen, die wegen des Anrechnungsüberhangs steuerfrei bleiben.

Die Erbschaft- oder Schenkungsteuer für den Letzterwerb muss immer als sog. Mindeststeuer festgesetzt werden.

Die Steuer, die sich nach den geltenden Vorschriften für den Letzterwerb ohne Zusammenrechnung ergibt, bildet die Untergrenze der für diesen Erwerb festzusetzenden Steuer.

 
Hinweis

"Damit wird der eigentliche Zweck der Vorschrift erreicht, dass durch die Zusammenrechnung der persönliche Freibetrag nur einmal im Zehnjahreszeitraum berücksichtigt wird. Progressionsvorteile durch Aufteilen einer Zuwendung in mehrere kleine sollen vermieden werden."[6]

 

Beispiel: Geldschenkung

Der Steuerpflichtige S schenkte seiner Lebenspartnerin im Jahr 2000 125.000 EUR.

Im Jahr 2009 schenkt S seiner (dann) Ehefrau weitere 510.000 EUR.

Lösung:

Die Mindeststeuer ist anzuwenden, d. h. zu entrichten, da die Steuer für den Gesamterwerb nach Anrechnung der Steuer für den Vorerwerb niedriger ist als die Mindeststeuer.

 

Beispiel: Schenkung von Kapitalgesellschaftsanteilen

Vater V ist Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer der X-GmbH.

Der Steuerpflichtige V schenkte im Jahr 2000 seinem Sohn S zehn Prozent der Anteile an der X-GmbH in Höhe von 1.450.000 EUR (= Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren).

Im Jahr 2009 schenkt V weitere 15 Prozent Anteile an der X-GmbH in Höhe von 3.000.000 EUR (= gemeiner Wert, vereinfachtes Ertragswertverfahren).

Das Verwaltungsvermögen der X-GmbH beträgt mehr als zehn Prozent.

Lösung:

Die einzelnen Erwerbe verlieren bei der Gesamtbewertung nicht ihre Selbstständigkeit.[7]

Für die früheren Erwerbe bleibt deren früherer steuerrechtlicher Wert maßgebend.[8]

Die Steuer für den Gesamtbetrag ist auf der Grundlage der geltenden Tarifvorschriften im Zeitpunkt des Letzterwerbs zu berechnen.[9]

Die Steuerklasse, die persönlichen Freibeträge und der Steuertarif richten sich deshalb nach dem geltenden – hier also neuen – Recht.

Von der Steuer für den Gesamtbetrag wird die Steuer abgezogen, welche für die früheren Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen und auf der Grundlage der Tarifvorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre (= fiktive Abzugsteuer).[10]

Ist die tatsächlich entrichtete Steuer der Vorerwerbe höher, so ist dieser Steuerbetrag abzuziehen (= Abzugsteuer).[11]

Zu einer Erstattung der Abzugsteuer auf die Vorerwerbe kann es nicht kommen![12] Die Steuer ist in diesem Fall auf 0 EUR festzusetzen.

Die Mindeststeuer findet keine Anwendung, da die Steuer für den Gesamterwerb nach Anrechnung der Steuer für den Vorerwerb höher ist als die Mindeststeuer.

[1] § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG.
[2] § 14 Abs. 1 Satz 4 ErbStG.
[3] § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG.
[4] § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG.
[5] § 14 Abs. 1 Satz 4 ErbStG.
[6] BR-Drs. v. 4.1.2008, 4/08, B. Besonderer Teil, zu Artikel 1, zu Nummer 13, § 14 Abs. 1, S. 58.
[7] R 70 Abs. 1 Satz 2 ErbStR.
[8] R 70 Abs. 2 Satz 1 ErbStR.
[9] R 70 Abs. 3 Satz 1 ErbStR.
[10] R 70 Abs. 3 Satz 3 ErbStR.
[11] R 70 Abs. 3 Satz 4 ErbStR.
[12] BFH v. 17.10.2001, II R 17/00, BStBl II 2002, 52; R 70 Abs. 3 Satz 5 ErbStR.

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