3.1 Der Standort der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer

Im allgemeinen System der Steuern erfolgt einvernehmlich[1] eine Eingruppierung der Erbschaft- und Schenkungsteuer (im Folgenden hier nur als Erbschaftsteuer bezeichnet) als:

  • Verkehrssteuer (Anknüpfungspunkt: der Rechtsverkehrsakt der Übertragung),
  • Personensteuer (i. S. d. § 12 Nr. 3 EStG),
  • direkte Steuer (es besteht ein Steuerschuldverhältnis zum Steuerzahler) und
  • nicht periodische Stichtagssteuer.
[1] S. Meincke, ErbStG-Komm. Einf. 1.

3.2 Erbschaftsteuer und Einkommensteuer

Die beiden Steuern stehen konkurrenzlos nebeneinander, sodass es alleine wegen der unterschiedlichen Erhebungstechnik (Periodensteuer kontra Stichtagsteuer) zu einer Doppelbelastung kommen kann. So werden der Erbschaftsteuer als Stichtagsteuer die Vermögenswerte ohne Berücksichtigung einer etwaigen latenten ESt-Belastung zugrunde gelegt. Das alte ErbStG selbst schließt die Berücksichtigung solcher latenter, d. h. noch nicht durch Bescheid aktualisierter, ESt-Nachlassverbindlichkeiten aus. Nicht unerwähnt bleiben sollte in diesem Zusammenhang die "Vorgänger"-Regelung § 35 EStG a. F.), der zufolge bis 1999 die (aktuell wie damals) bestehende Nichtabzugsfähigkeit von latenten ESt-Schulden dadurch ausgeglichen hat, dass – umgekehrt – die Einkommensteuer ermäßigt werden konnte. Die Bestimmung war aus (vermeintlich) steuersystematischen Gründen ab VZ 2000 nicht mehr anzuwenden.

Die Diskussion wurde unter umgekehrten Voraussetzungen im Rahmen der Beratungen zum ErbStG (2008) wieder aufgenommen. Auch wegen § 24 Nr. 2 EStG (nachträgliche Einkünfte des Rechtsnachfolgers = die Eintrittspforte erbschaftsteuerlicher Vorgänge in die Einkommensteuer) sprach sich die wohl h. M. im Schrifttum[1] für die Berücksichtigung der latenten ESt-Verbindlichkeit als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 ErbStG gerade in den Fällen des Generationenübergangs aus. Obwohl der BFH noch im Beschluss v. 16.8.2006 (BFH/NV 2006, 2261) einer solchen Berücksichtigung entgegengetreten ist, sind die o. g. Bedenken gegen die Abschaffung des § 35 EStG aufgegriffen worden. Sie führten – jetzt als § 35b EStG – zur Wiedereinführung der alten Regelung. Damit wird eine Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer vermieden. Die Kollisionsnorm ist beschränkt auf Fälle, in denen beim Erben Einkünfte tatsächlich mit Einkommensteuer belastet werden, die zuvor als Vermögen oder Bestandteil von Vermögen bereits der Erbschaftsteuer unterlagen. Zu den Einkünften gehören dabei auch Gewinne aus der Veräußerung oder Entnahme einzelner Wirtschaftsgüter (Aufdeckung stiller Reserven), die beim Erblasser Betriebsvermögen waren und als Betriebsvermögen auf den Erwerber übergegangen sind, oder aus der Veräußerung oder Aufgabe eines ganzen Gewerbebetriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils nach § 16 EStG. Die Regelung entspricht inhaltlich dem früheren § 35 EStG in der bis zum Veranlagungszeitraum 1998 anzuwendenden Fassung.

Als weitere Berührungspunkte zwischen Einkommensteuer und ErbStG sind zu nennen:

  • Die Betriebsübertragung und der Übertragung sonstigen Vermögens im Rahmen vorweggenommener Erbfolge (s. oben).
  • Die unentgeltliche Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögen s (ESt-Entnahme) und ggf. eine sich anschließende Schenkung.
  • Auch bei betrieblich veranlassten Geschenken an Geschäftsfreunde und bei Zuwendungen an Arbeitnehmer können Überschneidungen zwischen Einkommen- und Schenkungsteuer vorkommen.
  • Bei Spenden und der erstmaligen oder späteren Ausstattung von Stiftungen (Zustiftungen) können schenkung- wie ertragsteuerliche Aspekte zum Tragen kommen.
[1] Besonders deutlich und zum ersten Mal Mellinghoff in: Birk, DStJG (1999), S. 73 ff., 121, 161.

3.3 Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer

Im Verhältnis zur Grunderwerbsteuer tritt die Grunderwerbsteuer regelmäßig zurück, weil § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG die unter das ErbStG fallenden Grundstückserwerbe von Todes wegen und die Grundstücksschenkungen von der Besteuerung ausnimmt. Hierdurch soll eine Doppelbelastung vermieden werden. In diesem Sinne hat sich auch das BVerfG im Urteil vom 15.5.1984 (BStBl II 1984, 608) für eine Prävalenz der ErbSt ausgesprochen.

Von der GrESt-Befreiung nicht betroffen sind nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG abziehbare Auflagen bei Schenkungen unter Auflage sowie der entgeltliche Part bei einer gemischten Schenkung.

3.4 ErbStR und UStG

An zwei Stellen begegnen sich das ErbStG und das UStG:

  • bei der (unentgeltlichen) Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a UStG) und
  • bei den unentgeltlichen Wertabgaben (§ 3 Abs. 1b UStG) und beim unentgeltlichen Verwendungstatbestand (§ 3 Abs. 9a UStG) zugunsten des Personals.

Während es bei der Geschäftsveräußerung (gleich, ob entgeltlich oder unentgeltlich) wegen der Wertentscheidung des USt-Gesetzgebers (kein steuerbarer Tatbestand!) keine Konkurrenz zwischen den beiden Steuerarten gibt, können die Arbeitnehmerverbrauchstatbestände (alte UStG-Terminologie) zugunsten des Personals einer mehrfachen Steuerbelastung (Schenkungsteuer i. V. m. § 15 Abs. 2 BewG, Lohnsteuer – Sachbezug – und Umsatzsteuer) unterliegen. In allen Fällen liegt jedo...

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