Dem Antragsteller wird – zur Vermeidung einer missbräuchlichen Verwendung – lediglich eine beglaubigte Abschrift des ENZ ausgehändigt, da die Urschrift stets in den Akten der Ausstellungsbehörde, in Deutschland also beim Nachlassgericht, verbleibt (Art. 70 Abs. 1 EuErbVO). Eine weitere Besonderheit enthält das ENZ im Vergleich zum nationalen Erbschein, indem es lediglich für einen bestimmten Zeitraum Gültigkeit entfaltet. Dieser beträgt regelmäßig sechs Monate (Art. 70 Abs. 3 EuErbVO). Sollte das ENZ ungültig geworden sein, allerdings weiterhin benötigt werden, so muss eine neue beglaubigte Abschrift beantragt werden.

 
Hinweis

In Österreich gilt ein Erbschein eines deutschen Amtsgerichts, das nach Art. 4 EuErbVO für Entscheidungen über den gesamten Nachlass zuständig ist, als "Erbenbescheinigung" i.S.d. österreichischen Registergesetzes, sodass die Verwendung eines ENZ dort nicht verpflichtend ist. Begründet wird das damit, dass weder der deutsche Erbschein noch das ENZ Liegenschaften konkret bezeichnen müssen.

Wie jeder nationale Erbschein entfaltet auch das Europäische Nachlasszeugnis bestimmte Wirkungen. So darf grundsätzlich von der Richtigkeit des Inhalts des ENZ ausgegangen werden, wobei hierbei zwischen positiven und negativen Vermutungen unterschieden werden muss. Positiv wird gemäß Art. 69 Abs. 2 Satz 2 EuErbVO vermutet, dass die Person, die im Zeugnis als Erbe, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter genannt ist, auch die in dem Zeugnis genannte Rechtsstellung und/oder die in dem Zeugnis aufgeführten Rechte oder Befugnisse hat. Negativ wird hingegen vermutet, dass die dort genannten Rechte oder Befugnisse keinen anderen als den im Zeugnis aufgeführten Bedingungen und/oder Beschränkungen unterliegen. Die Vermutungswirkungen entfallen konsequenterweise mit Ablauf der auf dem ENZ angegebenen Gültigkeitsfrist. Durch eine Aussetzung der Wirkungen des ENZ, eine Berichtigung, eine Änderung oder einen Widerruf des ENZ kann die Vermutungswirkung auch vor Fristablauf entzogen werden.

Dem ENZ kommt grundsätzlich öffentlicher Glaube zu. Hierbei gilt es zu beachten, dass der Gutglaubensschutz des ENZ nach der Literatur weitergehender sein soll als derjenige nach deutschem Recht. So soll sich dieser auch auf das Amt sowie die Befugnisse des Testamentsvollstreckers erstrecken. Neben positiver Kenntnis des Nachlassgläubigers von der Unrichtigkeit des ENZ schadet auch grob fahrlässige Unkenntnis. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des Art. 69 Abs. 3 und 4 BGB, wonach eine Leistung oder Veräußerung "auf Grundlage der in dem Zeugnis enthaltenen Angaben" erfolgt, dürfte es stets erforderlich sein, dass das ENZ dem Gegenüber tatsächlich vorgelegt wird. Im Übrigen ist der Gutglaubensschutz vergleichbar mit demjenigen des deutschen Rechts (vgl. §§ 2366, 2367 BGB).

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