aa) Klageformen

 

Rz. 275

Das englische Recht enthält sehr unübersichtliche und nicht aufeinander abgestimmte Konzepte, wie Streitigkeiten der Gesellschafter im Innenverhältnis – zumeist Konflikte zwischen Mehrheit und Minderheit – zu lösen sind. Die denkbaren Konflikte werden grundsätzlich in den folgenden Kategorien erfasst:

 

Rz. 276

(1) Konflikte zwischen den Gesellschaftern darüber, dass die Mehrheit Rechtsverletzungen der Gesellschaft durch Dritte, z.B. durch die Geschäftsführer, nicht verfolgen will: So liegt nach Table A, Art. 3 und 4 die Entscheidung über eine solche Maßnahme bei den Geschäftsführern und nicht bei den Gesellschaftern. Eine Klage, die von Gesellschaftern im Namen der Gesellschaft erhoben werden soll, wird als sog. derivative action bezeichnet.

 

Rz. 277

(2) Konflikte aus der Beeinträchtigung bestimmter Gesellschafterrechte, die in den Articles niedergelegt sind, sei es aus dem Blickwinkel eines einzelnen Gesellschafters oder einer Gruppe von Gesellschaftern (sog. personal action oder representative action).

bb) Sonderfragen der derivative action

 

Rz. 278

Bei der derivative action handelt es sich nicht um eine Klage, die im Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern als Parteien des Rechtsstreits ausgetragen wird, sondern um die Frage der Klagebefugnis, wenn ein Gesellschafter gegen einen Dritten klagt. Im Rahmen seiner Klage gegen den Dritten bedarf er einer Zulassung seiner Klage durch das angerufene Gericht zur Fortführung des Rechtsstreits.[47] Der Kläger muss hierfür darlegen, dass

der Gesellschaft ein Anspruch gegen den Dritten zusteht und
die Entscheidung der Gesellschaft, den Anspruch nicht zu verfolgen, rechtswidrig gegenüber dem Minderheitsgesellschafter ist und er deshalb zur Klage befugt ist.
 

Rz. 279

Der Kläger muss für den Nachweis der zweiten Voraussetzung darlegen, dass eine positive Entscheidung der Geschäftsführer oder der Gesellschafterversammlung gegen eine Klage getroffen worden ist. In den häufigen Fällen, in denen gerade die Geschäftsführer als Rechtsverletzer und als Dritte verklagt werden sollen, kann auch dargelegt werden, dass die Gesellschafterversammlung eine treuwidrige Genehmigung des angegriffenen Verhaltens des Geschäftsführers erteilt hat (sog. ratification). Wird keine positive Entscheidung getroffen, kann dargelegt und nachgewiesen werden, dass die Mehrheit eine Entscheidung der Gesellschafterversammlung hierüber blockiert oder dass die Schädiger, die verklagt werden sollen, die Mehrheit der Stimmrechte kontrollieren und gegen eine Klage der Gesellschaft gestimmt haben.

 

Rz. 280

Zudem muss prozessual eine Streitgenossenschaft zwischen der Gesellschaft und dem Beklagten[48] hergestellt werden.

[47] R. 19.9. Abs. 3, Civil Procedure Rules 1998.
[48] R. 19.9. Abs. 2, Civil Procedure Rules 1998.

cc) Einheitliche Prinzipien des Common Law für derivative action und personal action

(1) Klagebefugnis nach der Regel in Foss vs. Harbottle

 

Rz. 281

Um eine Klagebefugnis entweder gegenüber einem Dritten oder gegenüber der Ltd. selbst zu haben, müssen nach dem Common Law die hohen Anforderungen aus der Entscheidung Foss vs. Harbottle[49] überwunden werden, die zwei unabhängige Wertungen enthält und beide Fallgruppen zu einer Regel verbindet:

 

Rz. 282

Zum einen darf ein Gesellschafter nur ausnahmsweise Ansprüche der Gesellschaft für die Gesellschaft einklagen. Das hinter dieser Regel steckende Prinzip (proper plaintiff principle) folgt dem Grundgedanken des Trennungsprinzips, das gebietet, die Ltd. als zur Klage berufenes Rechtssubjekt anzusehen, wenn ihr gegenüber eine Rechtsverletzung begangen wird. Im Fall Prudential Assurance Co. Ltd. v. Newman Industries Ltd.[50] wurde dieses Prinzip dahin gehend erweitert, dass eine Klagebefugnis eines Gesellschafters gegen einen Dritten grundsätzlich auch zu verneinen ist, wenn der Gesellschafter den Dritten wegen einer Wertminderung seiner Anteile auf Wertersatz verklagen will, die durch eine Schädigung der Gesellschaft durch den Dritten eingetreten ist.

 

Rz. 283

Zum anderen soll prinzipiell eine Klage in den Angelegenheiten der Gesellschaft nur mit Zustimmung der Gesellschaftermehrheit möglich sein (majority principle). Dies beruht auf einer Selbstbeschränkung der Rechtsprechung (judicial self-restraint), sowohl Streitigkeiten über Geschäftsführungsmaßnahmen als auch Streitigkeiten über die Verletzung von satzungsmäßigen Formvorschriften nur ausnahmsweise als justitiabel anzusehen (internal management-Regel und sog. internal irregularities-Regel), wenn diese von der Mehrheit gebilligt werden. Ein Minderheitsgesellschafter hat nach englischem Verständnis beim Anteilserwerb von vornherein zu berücksichtigen, dass der Wert seiner Beteiligung und somit seine Gesellschafterrechte immer durch das Mehrheitsprinzip begrenzt werden.

[49] Foss v. Harbottle (1843), 2 Hare 461 ff.
[50] Prudential Assurance Co. Ltd. v. Newman Industries Ltd No. 2 (1982) Ch, p. 204.

(2) Ausnahmen vom generellen Klageverbot eines Minderheitsgesellschafters

 

Rz. 284

Nur in eng umgrenzten Fallgruppen werden nach dem Fallrecht Ausnahmen vom generellen Klageverbot eines Minderheitsgesellschafters zugelassen.

 

Rz. 285

(a) Zum einen müssen das Memorandum oder die Articles einem Gesellschafter bestimmte persönliche Rechte (personal rights) ein...

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