Rz. 452

Im englischen Fallrecht wurden bereits sehr früh Schutzmaßnahmen zugunsten gutgläubiger Vertragspartner im Außenverhältnis entwickelt (sog. rule in Turquands case). Diese Schutzmechanismen beziehen sich sowohl auf die Frage, ob die Geschäftsleitung als Ganzes überhaupt zum Vertreter bestellt worden ist, und darauf, ob die Geschäftsleitung Beschränkungen im Innenverhältnis nicht beachtet (Rechtsscheinsvollmacht). Nach dem zuvor genannten grundlegenden Turquand-Fall besteht eine Bindung der Ltd. über eine Rechtsscheinsvollmacht, wenn der Geschäftsführer im Namen der Ltd. auftritt, seine Vertretungsmacht behauptet, der Dritte gutgläubig hierauf vertraut, die Gesellschaft ihm nach ihren Articles eine Vertretungsmacht hätte einräumen können und es ihr durch das Memorandum nicht verboten wäre, das vom Vertreter abgeschlossene Rechtsgeschäft abzuschließen. Die Regel wurde in weiteren Fällen dahin gehend weiterentwickelt, dass alle Beschränkungen im Innenverhältnis einer Gesellschaft nicht für die Vertretungsmacht gegenüber gutgläubigen Dritten wirkten (sog. indoor management rule). Die Gerichte sind bei der Fortentwicklung des Rechts manchmal darüber hinausgegangen, dass sich der Rechtsschein einer Vertretung aus den Articles der Gesellschaft ergeben können musste. Sie gewährten ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Rechtsschein bereits aufgrund der behaupteten Vertretungsmacht des im Namen der Gesellschaft auftretenden Geschäftsführers. Allerdings wird keine Rechtsscheinsvollmacht des Geschäftsführers angenommen, wenn es in objektiver Hinsicht nicht möglich erscheint, dass der im Namen der Gesellschaft auftretende Geschäftsführer in den Articles für das beabsichtigte Rechtsgeschäft nicht bevollmächtigt sein könnte. Die Regeln des Fallrechts bleiben auch nach den Änderungen des Gesetzes in diesem Bereich weiterhin anwendbar.

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