a) Vermögensmäßige und mitgliedschaftliche Rechte

 

Rz. 267

Das englische Gesellschaftsrecht folgt wie das deutsche Recht dem Trennungsprinzip. Gesellschafter und Kapitalgesellschaft sind separate Rechtsträger. Der Anteil eines Gesellschafters (share) hat nach dem Verständnis des Common Law drei Funktionen:[41]

Er vermittelt eine vermögensmäßige Rechtsposition in der Gesellschaft und bestimmt die Höhe der Beteiligung, da jedem Anteil ein Teilbetrag des Nominalkapitals zugeordnet werden muss. Das englische Gesellschaftsrecht kennt also keine nennwertlosen Anteile.
Er verbrieft den Anspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter auf Zahlung des dem Anteil zugeordneten Einzahlungsbetrags an die Gesellschaft.
Er vermittelt dem Gesellschafter eine Stellung als Mitglied (member), d.h., der Anteil gibt ihm das Recht, in das Mitgliederverzeichnis der Gesellschaft aufgenommen zu werden und die in den Articles niedergelegten Rechte der Gesellschafter auszuüben.
 

Rz. 268

Der Anteil ist Maßstab für die Inanspruchnahme der dem einzelnen Gesellschafter zustehenden Mitgliedschaftsrechte. Da das englische Gesellschaftsrecht davon ausgeht, dass mangels eines Mindestkapitals alle Gesellschaftereinlagen sofort erbracht werden (zum Begriff des paid up capital siehe Rdn 137), richten sich die typischen mitgliedschaftlichen Rechte zunächst danach, ob der Gesellschafter seine Gesellschaftereinlage erbracht hat. Ist dies der Fall, werden alle Anteile mit dem gleichen nominalen Betrag grundsätzlich gleich behandelt, unabhängig davon, welche Gesellschaftereinlage (z.B. ein Aufgeld) bei der Anteilsausgabe im Einzelnen für diesen Nominalbetrag zu leisten war.[42] Dies gilt auch nach der Mustersatzung in Table A, Art. 30 und 36. Stimmrechte und die Beteiligung am Liquidationserlös werden ebenfalls quotal für die Beteiligung am Nominalkapital gewährt, ohne dass es auf die Höhe der Gesellschaftereinlage ankommt.

 

Rz. 269

Mit den Entscheidungen Borland’s Trustee vs. Steel Brothers Ltd.,[43] Salomon vs. Salomon Co[44] und Macaura vs. Northern Assurance Co.[45] hat bereits das Common Law herausgestellt, dass der Anteilseigner keine Rechte an den im Vermögen der Kapitalgesellschaft stehenden einzelnen Vermögensgegenständen hat. Dies gilt auch dann, wenn ein Gesellschafter alleiniger Gesellschafter der Ltd. ist.

 

Rz. 270

Jedem Anteilseigner einer Ltd. wird ein Anteilszertifikat ausgestellt (siehe Rdn 316 ff.). Dies ist in Table A, Art. 24, 25 ebenfalls ausdrücklich vorgesehen.

[41] Borland’s Trustee vs. Steel Bros & Co. Ltd (1901), 1 Ch., p. 279 ff.
[42] Birch v. Cropper (1889), 14 App CAs, p. 525 ff.
[43] Borland’s Trustee vs. Steel Brothers Ltd (1901), 1 Ch, p. 279 ff.
[44] Salomon vs. Salomon Co (1897), AC, p. 22, 66.
[45] Macaura vs. Northern Assurance Co (1925), AC, p. 619 ff.

b) Rechte von Gesellschaftern verschiedener Anteilsklassen (class rights)

aa) Begriff der Anteilsklassen

 

Rz. 271

Die Articles of Association können grundsätzlich Anteile verschiedener Beschaffenheit (Anteilsklassen – class rights) definieren und damit die Rechtspositionen der Gesellschafter unterschiedlich ausgestalten.

 

Rz. 272

Gemeinhin wird unterschieden zwischen

Anteilen mit Stimmrecht, Gewinnbeteiligung und Beteiligung am Liquidationserlös (ordinary shares),
stimmrechtslosen Anteilen mit Gewinnbeteiligung und mit oder ohne Beteiligung am Liquidationserlös (Vorzugsanteile – preference shares) und
Anteilen mit Stimmrechten, die erst nach den Dividendenausschüttungen an die Halter der ordinary shares und der preference shares für Ausschüttungen berücksichtigt werden (deferred shares).

In der Praxis sind deferred shares oft Anteile, die an Gründungsgesellschafter ausgegeben werden und diese zum Bezug einer hohen Restdividende berechtigen, nachdem Anteile anderer Gattungen mit einer Mindestdividende berücksichtigt worden sind.[46] Alle Anteilsgattungen können auch als einziehbare Anteile (redeemable shares) ausgestaltet sein. Möglich ist es aber auch, nur eine Anteilsklasse in Form von ordinary shares zu definieren und dort einzelnen Anteilen besondere Rechte einzuräumen.

 

Rz. 273

Zwischen den Anteilen gleicher Klasse besteht ein Gleichbehandlungsgebot (pari passu-Gebot). Problematisch sind in der Praxis Maßnahmen, die die verschiedenen Anteilsklassen ungerechtfertigt unterschiedlich belasten oder nur eine Anteilsgattung rechtlich betreffen, aber eine Ausstrahlungswirkung auf andere Anteilsklassen haben. Konflikte zwischen den Anteilseignern verschiedener Gattungen sollen durch Sec. 630 CA 2006 geregelt werden, soweit die Articles keine eigenen Schutzbestimmungen enthalten. Enthalten die Articles Schutzbestimmungen für Anteilseigner bestimmter Anteilsklassen, bestimmt sich der Rechtsschutz nach einer Kombination von gesetzlichen Regeln und satzungsmäßigen Regeln. Die Model Articles sehen hier keine Bestimmungen vor, da sie von einer Ltd. mit nur einer Anteilsklasse als Regelfall ausgehen.

[46] Vgl. Mayson/French/Ryan, 27. Aufl., S. 180.

bb) Rechtsschutz gegen eine Änderung der Rechte von Anteilsklassen

 

Rz. 274

Mit Zustimmung von 75 % der abgegebenen Stimmen aller Gesellschafter der betroffenen Anteilsklasse in einer Gesellschafterversammlung oder bei einer schriftlichen Beschlussfassung...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge