Leitsatz

Das laufende Einkommen der pflegebedürftigen Mutter des Beklagten reichte nicht aus, den durch ihre Pflegebedürftigkeit hervorgerufenen Bedarf zu decken. Sie nahm den Beklagten auf Unterhaltszahlungen in Anspruch, obgleich sie einen Auseinandersetzungsanspruch aus einer ungeteilten Erbengemeinschaft hatte, an der sie zu 1/4 beteiligt war. Der Wert des ungeteilten Nachlasses betrug über 250.000,00 DM.

 

Sachverhalt

Der Kläger nahm als Rechtsnachfolger seiner verstorbenen Mutter den Beklagten auf Zahlung von Elternunterhalt in Anspruch. Die Parteien waren Geschwister. Ihre im Jahre 1914 geborene und seit dem 7.3.2000 verwitwete Mutter, die noch einen weiteren Sohn hatte, lebte im Haushalt des jetzigen Klägers und seiner Ehefrau in Frankreich und wurde dort aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit betreut. Der Ehemann der Mutter ist von dieser und den drei Söhnen zu je 1/4 beerbt worden. Zu dem Nachlass gehörte ein Hausgrundstück, das von den Erben zu einem Kaufpreis von 250.000,00 DM veräußert wurde. Der Betrag wurde beim AG hinterlegt, da die Erbengemeinschaft noch nicht auseinandergesetzt war und über eine Teilauseinandersetzung kein Einvernehmen erzielen konnte.

Die Mutter, die Rentenleistungen, Wohn- und Pflegegeld bezog, errechnete ihren monatlichen Unterhaltsbedarf mit 3.466,00 DM, der sich aus Kosten für Unterkunft und Verpflegung im Hause ihrer Schwiegertochter i.H.v. monatlich 1.200,00 DM und Kosten für eine Vollzeitbetreuung i.H.v. 1.868,00 DM sowie der Miete für ihre in Deutschland beibehaltene Wohnung zusammensetzte. Unter Berücksichtigung ihrer eigenen Einkünfte verlangte sie von dem Beklagten monatlichen Unterhalt i.H.v. 2.743,00 DM zuzüglich Zinsen sowie Sonderbedarf i.H.v. 4.823,50 DM.

Nach ihrer Auffassung war der Beklagte uneingeschränkt leistungsfähig, während ihre beiden anderen Söhne zu Unterhaltszahlungen nicht in der Lage seien. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten, hat den geltend gemachten Bedarf der Höhe nach bestritten und im Übrigen darauf verwiesen, dass die Mutter ihren Unterhalt aus ihrem Einkommen und Vermögen bestreiten könne.

Das AG hat die Klage abgewiesen, die Berufung der Mutter wurde zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision blieb ebenfalls ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Der BGH hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass ein nicht minderjähriger Unterhaltsberechtigter im Verhältnis zum Unterhaltspflichtigen grundsätzlich gehalten sei, vorhandenes Vermögen zu verwerten, soweit ihm dies auch unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten zugemutet werden könne. Dies schließe allerdings nicht aus, dem Unterhaltsberechtigten eine gewisse Vermögensreserve zu belassen. Auch betagte Eltern könnten solche Reserven benötigen, deren Auflösung ihnen deshalb nicht angesonnen werden könne. Hinsichtlich der Höhe des sog. "Notgroschens" war nach Auffassung des BGH regelmäßig zumindest der sozialhilferechtliche Schonbetrag anzusetzen.

Als Form der Vermögenswertung kam nach Auffassung des BGH im vorliegenden Fall jedenfalls die Nutzung des Erbauseinandersetzungsanspruchs als Kreditunterlage in Betracht. Hiervon habe sie auch bereits Gebrauch gemacht, da sie sich die für sie vorgelegten Kosten und das für die erbrachten Pflegeleistungen geschuldete Entgelt habe stunden und damit kreditieren lassen. Die Stundungsabrede sei bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht aufgehoben worden, so dass das Vermögen der Mutter jedenfalls geeignet sei, als Kreditunterlage zu dienen. Ein Unterhaltsanspruch habe daher nicht bestanden.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 23.11.2005, XII ZR 155/03

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