§ 25 Abs. 1 WEG; §§ 935ff. ZPO

Sachverhalt

In der Gemeinschaftsordnung sind Untergemeinschaften gebildet worden, die eigene Versammlungen abhalten können. Diese sind zuständig für alle Angelegenheiten der jeweiligen Häuser. Die Untergemeinschaft des Hauses 1, in dem Wohnungseigentümer K sein Sondereigentum hat, fasst folgenden Beschluss: "Das Füttern von Vögeln im Bereich der Untergemeinschaft … ist grundsätzlich verboten. Für jedes verbotswidrige Vogelfüttern ist eine Vertragsstrafe in Höhe von 400 EUR an die Untergemeinschaft fällig. Sollten darüber hinaus auch noch Tauben gefüttert werden, kann jeder Bewohner dies bei der Stadtverwaltung … zur Anzeige bringen." Gegen diesen Beschluss erhebt K eine Anfechtungsklage. Daneben stellt K einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Das Gericht soll dem Beschluss vorübergehend seine Bindungswirkung nehmen. K meint, eine Kompetenz der Untergemeinschaft zur Beschlussfassung habe nicht bestanden. Der Beschluss sei unbestimmt. Eine Vertragsstrafe habe ohnehin nicht beschlossen werden können. Das AG sieht die Sache als nicht eilbedürftig an, weil der Beschluss über die Vertragsstrafe nichtig sei. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des K.

2.1 Die Entscheidung

Die sofortige Beschwerde hat teilweise Erfolg. Nach Ansicht des LG ist in Bezug auf die Vertragsstrafenregelung ein Verfügungsgrund gegeben. Diese Regelung sei evident nichtig. Eine Beschlusskompetenz, hierüber zu beschließen, bestehe nicht. Dass die Vertragsstrafenregelung wohl auch deshalb keinen Bestand haben könnte, da die Untergemeinschaft nicht rechtsfähig sei und damit nicht taugliche Anspruchsinhaberin, könne daher dahinstehen. Anders sei es in Bezug auf das Verbot des Vogelfütterns. Weder die Frage der Beschlusskompetenz noch die der Bestimmtheit würden so eindeutig liegen, dass eine Anfechtbarkeit des Beschlusses offensichtlich wäre. Zudem drohten auch keine konkreten, irreversiblen Schäden. Finanzielle Belastungen müsse K erst fürchten, wenn gerichtlich ein – gegebenenfalls vorbeugender – Unterlassungsanspruch durchgesetzt worden sei. Allein die Gefahr insoweit in Anspruch genommen zu werden, genüge nicht, zumal ein entsprechendes Verfahren wohl analog § 148 ZPO auszusetzen wäre, bis über die Anfechtungsklage entschieden wäre.

Hinweis

  1. Eine einstweilige Verfügung gemäß §§ 935ff. ZPO setzt einen Verfügungsgrund voraus. Die Regelung durch eine einstweilige Verfügung muss daher gemäß § 940 ZPO zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Ob dies der Fall ist, ist im Fall einer begehrten Außervollzugsetzung von Beschlüssen durch eine Abwägung der schutzwürdigen Interessen beider Seiten zu beurteilen. Ausgangspunkt ist die Wertung des Gesetzgebers, dass auch fehlerhafte Beschlüsse bis zu ihrer Ungültigkeitserklärung durch ein Gericht grundsätzlich wirksam und vollziehbar sind. Die Anfechtungsklage hat keine aufschiebende Wirkung. Gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG ist der Verwalter deshalb regelmäßig gehalten, auch angefochtene Beschlüsse zu vollziehen. Das Gesetz misst dem Vollziehungsinteresse der Gemeinschaft mithin grundsätzlich ein größeres Gewicht bei als dem Aussetzungsinteresse der Miteigentümer, die den Beschluss anfechten.
  2. Die Vollziehung eines Beschlusses für die Zeit des schwebenden Anfechtungsverfahrens kann angesichts dieser Wertung des Gesetzgebers nur dann per einstweiliger Verfügung ausgesetzt werden, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass im konkreten Einzelfall ausnahmsweise die Interessen der anfechtenden Miteigentümer überwiegen, etwa weil ihnen ein weiteres Zuwarten wegen drohender irreversibler Schäden nicht mehr zugemutet werden kann oder weil bei unstreitiger Sachlage und gefestigter Rechtsprechung die Rechtswidrigkeit des Beschlusses derart offenkundig ist, dass es hierfür nicht erst der umfassenden Prüfung durch ein Hauptsacheverfahren bedarf. Bei der Abwägung sind insoweit auch grundrechtliche Erwägungen anzustellen, sodass eine Aussetzung erforderlich ist, wenn andererseits verfassungsrechtlich geschützte Rechte der Eigentümer (Art. 14 GG) beeinträchtigt sind und eine Rückgängigmachung nicht oder kaum möglich ist. Dabei ist neben den Schwierigkeiten einer tatsächlichen Rückgängigmachung auch zu prüfen, inwieweit diese rechtlich möglich oder im System des WEG angelegt ist.

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