Leitsatz

§ 174 Satz 1 BGB ist auf einseitige Willenserklärungen des Verwalters im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf der Grundlage einer Vereinbarung oder eines Beschlusses der Wohnungseigentümer nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG anwendbar

 

Normenkette

§ 174 Satz 1 BGB; § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG

 

Sachverhalt

  1. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer schließt 1998 2 Grundstücks- und Gebäudeserviceverträge, worin die X-GmbH den Hausbetreuerservice in der Wohnungseigentumsanlage übernimmt. Als Vergütung werden monatlich netto 490 DM bzw. 320 DM vereinbart (zuletzt wurden ab Januar 2009 monatlich 522,83 EUR gezahlt). In den Verträgen ist eine Vertragslaufzeit von jeweils 5 Jahren vorgesehen. Weiter ist bestimmt, dass die Verträge nach Ablauf der Vertragslaufzeit von beiden Seiten mit einer Frist von 4 Wochen zum Quartalsende schriftlich gekündigt werden können. Kommt es nicht dazu, verlängern sich die Verträge jeweils um weitere 5 Jahre.
  2. In der Versammlung vom 13. September 2010 beschließen die Wohnungseigentümer, den bisherigen Verwalter abzuberufen und die Verträge mit der X-GmbH außerordentlich zum 30. November 2010 zu kündigen. Der neu bestellte Verwalter teilt der X-GmbH mit Telefaxschreiben vom 3. Dezember 2010 mit, dass er "in Ausführung des Beschlusses vom 13. September 2010 den Hausmeistervertrag fristlos kündige"; die Kündigung gehe auf eine permanente Schlechtleistung der Mitarbeiter der X-GmbH zurück. Zugleich spricht der Verwalter ein Hausverbot aus. Die X-GmbH widerspricht der Kündigung mit Schreiben vom 6. Dezember 2010 und rügt nach § 174 BGB die fehlende "Vollmacht/Vollmachtsvorlage" des Verwalters.

    § 174 BGB (Einseitiges Rechtsgeschäft eines Bevollmächtigten)

    Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.

  3. Mit Schreiben vom 6. Januar 2011 teilt der Verwalter der X-GmbH mit, er "präzisiere" die Kündigung vom 3. Dezember auf "die beiden Verträge zum Preis von 490 DM bzw. 320 DM. Beide Verträge tragen die Unterschriftsdatierungen 1. August bzw. 1. September 1998."
  4. Mit ihrer Klage nimmt die X-GmbH die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Zahlung der vertraglichen Vergütung in Höhe von insgesamt 6.273,96 EUR nebst Zinsen sowie vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten in Anspruch. Das Landgericht verurteilt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer unter Abweisung der weitergehenden Klage, 1.971,32 EUR nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 229,55 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Beide Parteien legen gegen dieses Urteil erfolglos Berufung bzw. Anschlussberufung ein.
  5. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag in vollem Umfang weiter. Die Revision hat Erfolg.
 

Entscheidung

  1. Ein Zahlungsanspruch der X-GmbH in Höhe von 492,83 EUR monatlich für die Zeit von April bis November 2011 könne nach derzeitigem Sach- und Streitstand noch nicht verneint werden. Die Kündigung vom 3. Dezember 2010 sei jedenfalls unwirksam. Der Kündigung habe nämlich keine Vollmachtsurkunde beigelegen. Ferner habe die X-GmbH der Kündigung unverzüglich unter Hinweis hierauf widersprochen. Nach § 174 Satz 1 BGB sei aber ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn dem Bevollmächtigten eine Vollmachtsurkunde nicht vorliegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist.
  2. Der Verwalter sei zwar nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG berechtigt gewesen, zu kündigen. Seine Ermächtigung läge in dem Beschluss vom 13. September 2010. § 174 BGB sei auf eine solche Ermächtigung aber anwendbar. Beruhe die Vertretungsmacht nicht auf der Erteilung einer Vollmacht durch den Vertretenen, sondern auf gesetzlicher Grundlage, scheide eine Zurückweisung nach § 174 Satz 1 BGB allerdings regelmäßig aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestehe das Recht zur Zurückweisung auch nicht im Fall organschaftlicher Vertretung. Die organschaftliche Vertretungsmacht beruhe auf der Bestellung des Vertreters zum Organ einer juristischen Person, die nur durch ihre Organe am Rechtsverkehr teilnehmen könne. Der Unsicherheit über die in Anspruch genommene organschaftliche Vertretungsmacht wirke die grundsätzlich vorgeschriebene Eintragung des Vertreters als Organ in ein öffentliches Register entgegen. Aus diesem ergäben sich die Personen des Organs und der Umfang ihrer Vertretungsmacht.
  3. Da es bei einer (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts allerdings kein öffentliches Register gäbe, habe der Bundesgerichtshof § 174 BGB auf die Vertretung der Gesellschaft ungeachtet dessen angewendet, dass der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Teil-)Rechtsfähigkeit zukomme. Der Empfänge...

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