Leitsatz

Ein Wohnungseigentümer darf im Treppenhaus grundsätzlich nur dann auf eigene Kosten einen Personenaufzug einbauen lassen, wenn alle Wohnungseigentümer dem zustimmen. Dies gilt auch dann, wenn der bauwillige Wohnungseigentümer aufgrund einer Gehbehinderung auf den Personenaufzug angewiesen ist, um sein Sondereigentum zu erreichen; die übrigen Wohnungseigentümer können allerdings verpflichtet sein, den Einbau eines Treppenlifts oder einer Rollstuhlrampe zu dulden.

 

Normenkette

WEG §§ 21 Abs. 8, 22 Abs. 1

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer K – im Jahr 1936 geboren – ist Eigentümer eines Wohnungseigentums in einer Wohnungseigentumsanlage, die aus 2 Wohnblöcken mit jeweils 4 Hauseingängen besteht. Das Haus, in dem K's Sondereigentum im 5. Obergeschoss liegt, hat keinen Personenaufzug. K bittet in einer Versammlung gemeinsam mit anderen Wohnungseigentümern um die Zustimmung, einen geräuscharmen und energieeffizienten Personenaufzug in dem offenen Schacht in der Mitte des Treppenhauses auf eigene Kosten einbauen zu dürfen. Dieser Antrag findet keine Mehrheit.
  2. Mit seiner daraufhin gegen alle Wohnungseigentümer gerichteten Klage will es K erreichen, dass die anderen Wohnungseigentümer dem Einbau eines Personenaufzugs (auf Kosten der Antragsteller in der Versammlung) dulden. K begründet seine Klage insbesondere damit, dass seine 1982 geborene, zu 100 % schwerbehinderte Enkeltochter zeitweise von ihm und seiner Ehefrau betreut werde.
  3. Das Amtsgericht weist die Klage ab. Das Landgericht gibt ihr hingegen mit Einschränkungen statt. Es beschließt nach § 21 Abs. 8 WEG, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Errichtung und den Betrieb eines geräuscharmen, maschinenraumlosen Personenaufzugs in dem Treppenschacht durch K dulden muss. Die Kosten der Errichtung und des Betriebs sowie einer etwaigen späteren Beseitigung des Aufzugs soll K tragen. K darf sich mit weiteren Wohnungseigentümern zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zur Errichtung und zum Betrieb des Personenaufzugs zusammenschließen. Die Nutzung des Aufzugs darf K bzw. die GbR auf diejenigen Wohnungseigentümer beschränken, die sich an den Kosten der Errichtung und der Unterhaltung des Personenaufzugs im angemessenen Umfang beteiligen. Daneben soll K vor Baubeginn eine Sicherheit für eine spätere Beseitigung des Aufzugs leisten, und zwar in Höhe von 110 % der hierfür erforderlichen Kosten.
  4. Gegen diesen Beschluss gehen die anderen Wohnungseigentümer vor. Mit Erfolg!
 

Die Entscheidung

K hätte die bauliche Maßnahme nur durchführen dürfen, wenn die übrigen Wohnungseigentümer hierzu ihre Zustimmung erteilt haben. Dies sei nicht der Fall gewesen.

Erforderlichkeit einer Zustimmung

  1. Für die Frage, ob die Zustimmung erforderlich ist, komme es entscheidend darauf an, ob den übrigen Wohnungseigentümern ein Nachteil im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG in Verbindung mit § 14 Nr. 1 WEG erwachse, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehe.
  2. So ein solcher Nachteil sei anzunehmen. Dies ergebe sich aus einer fallbezogenen Abwägung der beiderseits grundrechtlich geschützten Interessen. Neben dem Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG), auf das sich jede der Parteien berufen könne, sei aufseiten des K Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zu beachten, wonach niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden dürfe. Denn K betreue seine schwerbehinderte Enkelin regelmäßig in der Wohnung und nehme sie jeweils für längere Zeitabschnitte auf.
  3. Die Interessenabwägung werde in der Regel ergeben, dass die übrigen Wohnungseigentümer die Anbringung eines Treppenlifts oder einer Rollstuhlrampe durch einen Wohnungseigentümer dulden müssten, wenn dieser oder ein Angehöriger unter einer erheblichen Gehbehinderung leide. Anders liege es aber beim Einbau eines Personenaufzugs. Dieser sei nur mit erheblichen Eingriffen in die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums machbar und verenge in aller Regel – wie auch hier – den im Treppenhaus zur Verfügung stehenden Platz erheblich. Bei lebensnaher Betrachtung erfordere er schon wegen der bauordnungs- und brandschutzrechtlichen Vorgaben einen massiven konstruktiven Eingriff in den Baukörper. Zudem könne die private Verkehrssicherungspflicht im Außenverhältnis zu Dritten Haftungsrisiken auch für die übrigen Wohnungseigentümer mit sich bringen. Ein Rückbau setze erneut erhebliche Eingriffe in den Baukörper voraus, die nur mit großem baulichem Aufwand erfolgen könnten und ihrerseits neue Risiken bergen würden. Unabhängig von einer Sicherheitsleistung dürfte sich der Rückbau bei lebensnaher Betrachtung regelmäßig als eher unrealistisch erweisen.
  4. Mit dem Grundgesetz sei dieses Ergebnis vereinbar. Zwar sei K's Sondereigentum ohne Personenaufzug zufolge schwer veräußerlich und für eine gehbehinderte Person überhaupt nur mit einem Personenaufzug gut zu erreichen. Es habe sich insoweit aber ein Risiko verwirklicht, das K eingegangen sei, als er in der konkreten Region ein im 5. Obergeschoss gelegenes Wohnungseigentum erworben hab...

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