Leitsatz

Der Verwalter hat nicht das Recht, jegliche Beschlüsse auf seine Ordnungsgemäßheit hin durch eigene Anfechtung überprüfen zu lassen

 

Normenkette

§§ 27 Abs. 1 Nr. 1, 46 Abs. 1 WEG; Art. 2, 14 GG

 

Kommentar

  1. Dem Verwalter steht kein allgemeines Recht zu, jegliche Art von Beschlüssen auf deren Ordnungsgemäßheit hin durch Anfechtung überprüfen lassen zu können. Seine Aufgabe ist es vielmehr, die Willensbildung der Gemeinschaft zu respektieren und auch umzusetzen, selbst wenn es sich um fehlerhafte Beschlüsse handeln könnte.
  2. Eigenständig anfechten kann ein Verwalter allenfalls seinen Abberufungsbeschluss, um seine ggf. zu Unrecht entzogene Rechtsstellung zurückzugewinnen; insoweit ist er selbst in seinen Rechten beeinträchtigt (BGH, Beschluss v. 20.6.2002, NZM 2002 S. 788). Gleiches gilt für seine Berechtigung zur Rechtsmitteleinlegung, sollte sein Bestellungsbeschluss in erster Instanz für ungültig erklärt worden sein (BGH, NZM 2007 S. 645).
  3. In der Literatur wird darüber hinaus vertreten, dem Verwalter auch Klagebefugnis zuzubilligen, sollte ein Beschluss offensichtlich rechtswidrig und nicht bereits von anderer Eigentümerseite angefochten worden sein (so Wenzel in Bärmann-Ktr., 10. Aufl. 2008, § 46 Rn. 32). Suilmann (in Jennißen-Ktr., WEG § 46 Rn. 35 ff.) führt demgegenüber aus, dass "altruistische" Beschlussanfechtungen des Verwalters dem Zivilprozessrecht fremd seien, da dieser seine Aufgaben als weisungsgebundener Sachwalter des Gemeinschaftsvermögens und Vollzugsorgan der Gemeinschaft auszuüben habe; dieser Weisungsgebundenheit stehe die Annahme einer eigenständigen Beschlussanfechtungsbefugnis entgegen und würde auch in die nach Art. 2 GG geschützte Privatautonomie und die in Art. 14 GG geschützten Eigentumsrechte der Eigentümer eingreifen. Andere Auffassung vertreten demgegenüber Abramenko in Riecke/Schmid § 46 Rn. 3 und Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, § 46, Rn. 13.
  4. Vorliegend ging es weder um Beschlüsse, welche in die Rechtsstellung des Verwalters eingriffen noch um offensichtliche Rechtswidrigkeit angefochtener Beschlüsse. Aus diesem Grund steht dem Verwalter nach Ansicht der Kammer kein allgemeines Recht zu, zumindest diese Beschlüsse auf seine Ordnungsgemäßheit hin überprüfen zu lassen. Die Aufgabe des Verwalters ist vielmehr darauf beschränkt, die Willensbildung der Gemeinschaft umzusetzen und die Gemeinschaft dementsprechend zu verwalten (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG). Dazu gehört auch die Umsetzung selbst von fehlerhaften Beschlüssen; ein unbeschränktes Anfechtungsrecht des Verwalters würde dieser Rolle widersprechen (so auch LG Nürnberg-Fürth, ZMR 2009 S. 483).
Anmerkung

Auf zugelassene Revision wurde die Revision beim BGH (zu Az. V ZR 117/11) zurückgenommen. Die Entscheidung des Landgerichts entspricht wohl derzeit vorherrschender Rechtsmeinung und dürfte wohl auch im Zuge der Diskussion zur Formulierung des § 46 Abs. 1 WEG im Rahmen der seinerzeitigen Gesetzesreform 2007 zutreffend sein.

 

Link zur Entscheidung

LG Itzehoe, Urteil v. 12.4.2011, 11 S 50/10, NZM 2012 S. 207

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