1 Leitsatz

Der Vermieter handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er den auf eine Eigenbedarfskündigung gestützten Räumungsanspruch weiterverfolgt, obwohl sein zum Zeitpunkt des Kündigungsanspruchs noch hinreichend verdichteter Eigennutzungswunsch im Moment des Ablaufs der Kündigungsfrist nicht mehr von der konkreten Absicht zur alsbaldigen Umsetzung getragen ist (hier: Vermieterin als Stuntwoman – unabsehbare Verzögerung der ursprünglichen Vermieterplanung nach einem Unfall vor Ablauf der Kündigungsfrist).

2 Normenkette

§§ 985, 546 Abs. 1, 566 Abs. 1; 573 Abs. 2 Nr. 2; 242 BGB

3 Das Problem

Fallen die in einer Eigenbedarfskündigung geltend gemachten Gründe nachträglich weg (z. B. weil die begünstigte Person inzwischen eine andere Wohnung bezogen hat oder verstorben ist), ist der Vermieter verpflichtet, den Mieter davon zu unterrichten und auf dessen Verlangen das Mietverhältnis fortzusetzen. Allerdings besteht diese Mitteilungspflicht nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, d. h. bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mietverhältnis endet (so bereits BGH, Urteil v. 9.11.2005, VIII ZR 339/04, WuM 2005 S. 782). Das Entfallen der Eigenbedarfsgründe nach diesem Zeitpunkt ist daher unerheblich. Ein Hinausschieben dieses Zeitpunkts über das Ende des Mietverhältnisses hinaus, z. B. bis zum Ablauf einer gerichtlichen Räumungsfrist oder bis zur tatsächlichen Räumung der Wohnung durch den Mieter, wird vom BGH abgelehnt, weil dadurch der vertragsuntreue Mieter, der es auf einen Prozess ankommen lässt, privilegiert würde gegenüber dem vertragstreuen Mieter, der pünktlich zum Ablauf der Kündigungsfrist ausgezogen ist.

4 Die Entscheidung

Unterlässt der Vermieter die Unterrichtung des Mieters und verfolgt den auf seine Eigenbedarfskündigung gestützten Räumungsanspruch weiter, obwohl sein Eigennutzungswunsch bereits im Moment des Ablaufs der Kündigungsfrist nicht mehr von der konkreten Absicht zur alsbaldigen Umsetzung getragen ist, handelt der Vermieter nach einem neuen Urteil des LG Berlin rechtsmissbräuchlich und kann sich nicht auf die kündigungsbedingte Beendigung des Mietverhältnisses berufen (z. B. bei unabsehbarer Verzögerung der ursprünglichen Vermieterplanung nach einem schweren Unfall vor Ablauf der Kündigungsfrist).

5 Entscheidung

LG Berlin, Urteil v. 29.1.2019, 67 S 9/18, WuM 2019 S. 208

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