4.2.1 Grundsatz

Interessenabwägung

Allgemeine Voraussetzung für die Überlassung der Ehewohnung an einen Ehegatten ist, dass er auf deren Nutzung in stärkerem Maße angewiesen ist als der andere Ehegatte.

Maßgeblich ist dabei nach Prüfung der konkreten Umstände des Einzelfalls vorrangig das Wohl der in der Wohnung lebenden Kinder, denen nach Möglichkeit ihr soziales Umfeld erhalten bleiben soll. Daneben kommt es auf die Lebensumstände der Ehepartner an, also etwa ihr Alter, ihren Gesundheitszustand, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder die Nähe zum Arbeitsplatz.[1] Hilfsweise können Billigkeitsgesichtspunkte die Überlassung rechtfertigen. Die hierfür maßgeblichen Kriterien sind mannigfach und im Einzelfall zweifelhaft. So ist es zulasten eines Grundsicherung beziehenden Ehegatten zu werten, wenn die Wohnung über dem für die Grundsicherung angemessenen Wohnraum liegt. Demgegenüber stellen bei der Ersatzwohnungssuche hinderliche schlechte Deutschkenntnisse keinen maßgeblichen Abwägungsgesichtspunkt dar, wenn in der Vergangenheit genug Zeit bestand, die deutsche Sprache zu erlernen.[2]

4.2.2 Dingliche Berechtigung eines Ehegatten

Alleineigentum

Diese genannten Gesichtspunkte kommen nur zum Tragen, wenn die Eheleute gleichrangige dingliche Rechte an der Wohnung haben. Ist ein Ehegatte allein oder zusammen mit einem Dritten Eigentümer oder Inhaber eines anderen dinglichen Rechts, so kann der andere Ehegatte die Überlassung nur verlangen, wenn dies notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden.[1] Hieran sind wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes des Eigentumsrechts strenge Anforderungen zu stellen. Einkommenslosigkeit und Schwerbehinderung allein können eine solche unbillige Härte nicht begründen. Gleiches gilt, wenn dem Nichteigentümer zunächst während der Trennung die Wohnung überlassen wurde und das Herausgabeverlangen erst nach Rechtskraft der Scheidung erfolgt. Er hat nicht davon ausgehen können, ihm werde die frühere Ehewohnung dauerhaft überlassen.[2]

 
Praxis-Tipp

Schutz durch Mietvertrag

Sollten die Voraussetzung für die Nutzungsüberlassung an den dinglich Nichtberechtigten vorliegen, so sollte dieser gemäß § 1568a Abs. 5 BGB die Begründung eines Mietverhältnisses beantragen. Auf diese Art und Weise ist er auch bei einem späteren Verkauf an einen Dritten zunächst einmal vor einer Auszugsverpflichtung geschützt.

[2] OLG Düsseldorf, Beschluss v. 18.5.2018, 8 UF 175/17, NZM 2018 S. 807, dazu NJW-Spezial 2018 S. 582, ferner Erbarth, NZFam 2018 S. 903.

4.2.3 Umgestaltung eines bestehenden Mietvertrags

Vertragsänderung

Leben die Eheleute in einer Mietwohnung, so können sie entweder selbst durch eine entsprechende Einigung für einen Wechsel im Mietverhältnis sorgen oder aber das Gericht zur Entscheidung anrufen. Insoweit bestimmt § 1568a Abs. 3 BGB:

Der Ehegatte, dem die Wohnung überlassen wird, tritt

  1. zum Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung der Ehegatten über die Überlassung an den Vermieter oder
  2. mit Rechtskraft der Endentscheidung im Wohnungszuweisungsverfahren

an Stelle des zur Überlassung verpflichteten Ehegatten in ein von diesem eingegangenes Mietverhältnis ein oder setzt ein von beiden eingegangenes Mietverhältnis allein fort.

Einigung der Eheleute

Gemeinsame Erklärung

Die Erklärung beider Eheleute, dass sie sich über die weitere Nutzung der Wohnung durch einen von ihnen allein geeinigt haben, wird mit Zugang beim Vermieter wirksam. Sie sollte aus Beweisgründen stets schriftlich abgegeben werden. Der überlassungspflichtige Ehegatte hat gegen den in der Wohnung gebliebenen Ehegatten aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Anspruch auf Mitwirkung an einer Mitteilung nach § 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB. Die Vornahme der Mitwirkungshandlung kann dann nicht schon vor Rechtskraft der Scheidung verlangt werden.[1] Die Mitteilung wird auch frühestens ab Rechtskraft der Scheidung wirksam.

Gerichtliche Entscheidung

Beteiligung des Vermieters

Können sich die Eheleute nicht einigen, ist die Wohnungsüberlassung gerichtlich zu klären. Dann ist die Rechtskraft der Endentscheidung maßgeblich. Wegen der mietrechtlichen Auswirkungen ist stets der Vermieter an dem Verfahren zu beteiligen.[2]

Trotz seiner Einbindung in das Verfahren haben seine Präferenzen grundsätzlich keinen Einfluss für die gerichtliche Überlassungsentscheidung.[3]

Schutz des Vermieters

Kündigung möglich

Der Vermieter wird nur dadurch geschützt, dass er das Mietverhältnis innerhalb eines Monats, nachdem er von dem endgültigen Eintritt in das Mietverhältnis Kenntnis erlangt hat, außerordentlich kündigen kann, wenn in der Person des Eingetretenen ein wichtiger Grund vorliegt.[4] Für die Kündigung gilt – unabhängig von der Dauer des Mietverhältnisses – die 3-monatige Kündigungsfrist des § 573d Abs. 2 BGB.

4.2.4 Begründung eines Mietverhältnisses

Abschluss eines Mietvertrags

Besteht kein Mietv...

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