Leitsatz

Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Ehe als gescheitert anzusehen ist, auch wenn die Vermutungen des § 1566 BGB nicht greifen.

 

Sachverhalt

Die Parteien hatten im Jahre 1973 geheiratet und lebten seit Juni 2007 innerhalb der Ehewohnung voneinander getrennt. Im Januar 2009 zog die Antragsgegnerin dort aus. Mit Schriftsatz vom 8.1.2009 hat der Antragsteller unter Hinweis auf die Trennungszeit die Scheidung der Ehe beantragt. Die Antragsgegnerin trat dem Scheidungsbegehren u.a. mit der Begründung entgegen, dass bislang eine Regelung über Folgesachen nicht erfolgt sei.

Das AG hat den Scheidungsantrag des Antragstellers abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, wegen der Verweigerung der Zustimmung zur Ehescheidung durch die Antragsgegnerin greife die Vermutung des § 1566 Abs. 1 BGB nicht ein. Gleiches gelte für die Vermutung nach § 1566 Abs. 2 BGB, da die Eheleute noch nicht drei Jahre voneinander getrennt lebten.

Das Scheitern der Ehe könne nicht festgestellt werden.

Gegen die erstinstanzliche Entscheidung wandte sich der Antragsteller mit der Berufung und verfolgte sein Scheidungsbegehren weiter.

Die Antragsgegnerin beantragte Zurückweisung der Berufung und ließ sich dahingehend ein, eine Scheidung zum jetzigen Zeitpunkt stelle für sie eine unbillige Härte dar. Sie habe aufgrund einer sehr angespannten Lage mit ihrem Arbeitgeber unter psychischen Problemen gelitten.

Die Berufung des Antragstellers erwies sich als erfolgreich und führte zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung im Hinblick auf die noch offene Folgesache Versorgungsausgleich.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des OLG lagen die Scheidungsvoraussetzungen vor. Dies sei dann der Fall, wenn die Ehe gemäß § 1565 Abs. 1 S. 1 BGB gescheitert sei. Voraussetzung hierfür sei, dass die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr bestehe und nicht erwartet werden könne, dass sie je wieder hergestellt werde. So liege es hier. Zu Recht sei das AG zwar davon ausgegangen, dass die Vermutungen des § 1566 BGB nicht eingriffen. Damit sei aber entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts nicht etwa ausgeschlossen, dass die Scheidungsvoraussetzungen nicht gegeben seien (vgl. auch Verfahrenshandbuch Familiensachen/Schael, § 6 Rz. 123 f.).

Vorliegend sei auch ohne Eingreifen der Vermutungen des § 1566 BGB von einem Scheitern der Ehe auszugehen, zumal auch die Antragsgegnerin erklärt habe, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wieder aufnehmen und fortsetzen zu wollen. Dies habe sie anlässlich ihrer Anhörung vor dem OLG bekräftigt.

Auch ein Fall des § 1568 Abs. 1 BGB liege nicht vor. Nach dieser Vorschrift könne die Scheidung einer gescheiterten Ehe aufgrund der Härteklausel nur wegen solcher Härten versagt werden, die durch die Scheidung, also die Auflösung des Ehebandes, selbst verursacht oder mitverursacht würden. Eine allein durch das Scheitern verursachte Härte genüge nicht (Wolf in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1568 Rz. 39).

Danach reichten Krankheitszustände, jedenfalls wenn sie nicht zu einer psychischen Ausnahmesituation geführt hätten, zur Begründung außergewöhnlicher Umstände nicht aus.

Aus dem Vortrag der Antragsgegnerin im Übrigen lasse sich eine schwere Härte nicht entnehmen. Selbst dann, wenn der Antragsteller der Antragsgegnerin gegenüber im Januar 2009 tätlich geworden sein sollte, sei nicht ersichtlich, warum gerade deshalb eine Aufrechterhaltung der Ehe ausnahmsweise notwendig sein solle.

Auch das Ausmaß der psychischen Erkrankung der Antragsgegnerin gebiete es nicht, von der Ehescheidung derzeit zur Abwendung einer schweren Härte abzusehen.

Eine Zurückverweisung der Sache an das erstinstanzliche Gericht habe zu erfolgen, da dort noch die Folgesache Versorgungsausgleich zur Entscheidung anstehe.

 

Link zur Entscheidung

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 05.11.2009, 10 UF 122/09

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