1. Übersicht über die einzelnen Unterhaltstatbestände

Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist ein einheitlicher Anspruch, der auch bei Vorliegen mehrerer Einzeltatbestände der §§ 1570 ff.. BGB gegeben ist.[392] In den §§ 1570 bis 1572, 1576 BGB regelt das Gesetz Tatbestände, die einen Unterhaltsanspruch begründen, weil von dem geschiedenen Ehegatten aus Gründen vor allem persönlicher Art eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Gemeinsam ist diesen Grundtatbeständen[393], dass bei ihrem Vorliegen die dem Berechtigten obliegende Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht schlechthin beseitigt wird.[394] Die Pflege eines Kindes, Krankheit usw. gewährleisten einen Unterhaltsanspruch nur, soweit und solange[395] ihretwegen eine Erwerbstätigkeit vom Berechtigten nicht erwartet werden kann. Diese fehlende Erwartung ist der eigentliche Grund für die Zubilligung des Unterhaltsanspruchs. Indes braucht der Berechtigte nicht jede Erwerbstätigkeit ausüben. Nur eine angemessene Erwerbstätigkeit i.S.v. § 1574 Abs. 2 BGB wird von dem geschiedenen Ehegatten in seinem Verhältnis zum bisherigen Partner nach § 1574 Abs. 1 BGB geschuldet.[396] Allerdings wird die hierzu ergangene Rechtsprechung durch das UÄndG 2007 zukünftig das Kriterium der Eheangemessenheit anders gewichten müssen. Während sich bisher die Angemessenheit nach den ehelichen Lebensverhältnissen orientiert hat, bleibt dieser Umstand in Zukunft lediglich noch ein Billigkeitskriterium.

[392] RGRK/Cuny, vor § 1570 Rn. 1; Johannsen/Henrich/Büttner, § 1569 Rn. 2.
[393] Zum Begriff: Bastian/Roth/-Stielow, vor § 1569 ff. Rn. 11
[394] Engelhardt, JZ 1976, S. 578.
[395] Diese zeitliche Beschränkung gilt nicht für den Anspruch nach § 1571 BGB.
[396] BGH, FamRZ 1983, 144; Johannsen/Henrich/Büttner, § 1574 Rn. 1; Soergel/Häberle, § 1574 Rn. 1; MünchKomm/Maurer, § 1574 Rn. 1; RGRK/Cuny, § 1574 Rn. 1.

2. Konkurrenzen

Die Aufspaltung des eigentlich einheitlichen[397] nachehelichen Unterhaltsanspruchs in verschiedene Einzeltatbestände führt zu der Frage nach Konkurrenzsituationen und verdeutlicht die Notwendigkeit der Abgrenzung der Unterhaltstatbestände untereinander. Insbesondere für die Beurteilung, ob und in welchem Umfang ein Unterhaltsanspruch besteht oder später entstehen kann, ist diese Frage wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen und wegen der Ungleichwertigkeit beispielsweise des Grundtatbestands gemäß § 1570 BGB, der den Berechtigten von seiner Erwerbsobliegenheit ohne Rücksicht auf den Einsatzzeitpunkt befreit, mit dem Ergänzungsanspruch des § 1573 Abs. 1 BGB von entscheidender Bedeutung.

Daran hat auch die Neuregelung des § 1578b BGB nichts geändert. Die Vorschrift fasst die bisherigen Begrenzungsmöglichkeiten des § 1573 Abs. 5 BGB und die des § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB zusammen.[398] Nach wie vor erfahren die einzelnen Tatbestände unterschiedliche Gewichtung, was schon darin zum Ausdruck kommt, dass der Betreuungsunterhalt im Rahmen der Billigkeitsabwägung des § 1578b BGB ausdrücklich hervorgehoben wird.

Grundsätzlich sind Unterhaltsansprüche gemäß §§ 1570 bis 1572 BGB nur gegeben, wenn wegen des jeweiligen besonderen Tatbestandsmerkmals von dem geschiedenen Ehegatten eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Nur in dem Umfang, in dem der in der betreffenden Vorschrift vorausgesetzte besondere Umstand (Kinderbetreuung, Alter oder gesundheitliche Gründe) einer Erwerbsobliegenheit entgegensteht, kann auch der Unterhaltsanspruch bestehen. Eine ergänzende Heranziehung von Tatbestandsmerkmalen der übrigen Unterhaltstatbestände ist daher abzulehnen.[399] Die Notwendigkeit einer derartigen monokausalen Betrachtung ergibt sich aus dem kasuistischen Unterhaltssystem des 1. EheRG, der Beschränkung auf unterschiedliche Einsatzzeiten und den verschiedenen Folgen, die sich aus der Anknüpfung an die verschiedenen Tatbestandsmerkmale ergeben sollen. Davon zu unterscheiden ist das Zusammentreffen mehrerer Unterhaltstatbestände, die im Einzelfall für sich allein genommen nicht zur Begründung des vollen Unterhalts ausreichen. In derartigen Fällen kann es zu Teilansprüchen nach mehreren Tatbeständen kommen.[400]

Gemildert wird diese durch das System der Einzeltatbestände bedingte strenge Trennung dadurch, dass von dem geschiedenen Ehegatten nur eine angemessene Erwerbstätigkeit erwartet wird, d.h. eine Tätigkeit, die Ausbildung, Fähigkeiten, Lebensalter und Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entspricht. Diese Milderung wird durch das UÄndG 2007 eingeschränkt; der Charakter der Obliegenheit der Erwerbstätigkeit steht stärker im Vordergrund. Nach wie vor gilt aber, dass der Unterhaltsberechtigte vor einem unangemessenen sozialen Abstieg durch die Scheidung geschützt werden soll. Dies gilt, um so mehr der berechtigte Ehegatte sich auf den sich aus der Gestaltung der Ehe ergebenden Vertrauensschutz berufen kann.[401] Deshalb bleibt, trotz der Betonung der Erwerbsobliegenheit in § 1574 Abs. 1 BGB die Tätigkeit, die der geschiedene Ehegatte ausüben kann, an dem Maßstab der Angemessenheit zu prüfen.

Soweit vor dem UÄndG 2007 auch die eheli...

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