Dem geschiedenen Ehegatten eröffnet § 1575 BGB die Möglichkeit, eine bestehende Bedürfnislage auch im Rahmen eines privatrechtlichen Unterhaltsanspruchs geltend zu machen. Das vor dem 1. EheRG geltende Recht hatte dem ausbildungswilligen geschiedenen Ehegatten vor allem einen öffentlich-rechtlichen Anspruch nach dem Bundesgesetz über die individuelle Förderung der Ausbildung (BAföG) und dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zuerkannt. Daneben kann der geschiedene Ehegatte einen Unterhaltsanspruch zum Zweck einer Ausbildung, Fortbildung und Umschulung geltend machen, sofern damit ehebedingte Ausbildungsnachteile ausgeglichen werden sollen. Die Begriffe Ausbildung, Fortbildung und Umschulung entsprechen in ihrer Bedeutung der des § 1574 Abs. 3 BGB und greifen insoweit inhaltlich auf die Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften zurück.

Der Anspruch aus § 1575 BGB setzt nicht voraus, dass der Berechtigte keine angemessene Arbeit zu finden vermag, da er das Ziel hat, Ausbildungsnachteile auszugleichen, die ein Ehegatte in seinem beruflichen Fortkommen mit Rücksicht auf die Ehe auf sich genommen hat. Der Anspruch besteht zunächst dann, wenn der geschiedene Ehegatte eine Schul- oder Berufsausbildung abgebrochen hat.[562] Während es beim Abbruch einer Ausbildung in Erwartung der Ehe notwendig ist, dass der Abbruch auf die Ehe zurückgeführt werden muss,[563] genügt beim Abbruch während der Ehe der bloße zeitliche Zusammenhang.[564]

Ein Anspruch besteht auch dann, wenn der geschiedene Ehegatte eine Ausbildung überhaupt nicht aufgenommen hat. Einen hieraus resultierenden Unterhaltsanspruch kann man indes nach dem Gesetzeszweck nur rechtfertigen, wenn die Nichtaufnahme der Ausbildung ehebedingt war.[565] Dies setzt materiell voraus, dass die Ausbildung schon konkret beabsichtigt war,[566] wobei der Berechtigte für diese Ausbildungsabsicht darlegungs- und beweispflichtig ist[567]. Das gilt auch für den Beweis, dass die Ausbildung wegen der Ehe nicht aufgenommen wurde.

Welche Ausbildung im Rahmen des § 1575 BGB angestrebt werden kann, beurteilt sich nach mehreren Umständen. Hat beispielsweise der Ehegatte in Erwartung der Ehe oder während der Ehe eine schon weit fortgeschrittene Ausbildung abgebrochen, wird lediglich die Fortsetzung dieser Ausbildung in Betracht kommen, nicht jedoch eine völlig neue Ausbildung.[568] Im Übrigen wird man ein Wahlrecht des Ehegatten dann bejahen müssen, wenn es sich um eine entsprechende gleichwertige Ausbildung handelt, wobei dies nach der sozialen Einordnung der Ausbildung zu beurteilen ist.[569] Nicht geschuldet wird im Rahmen des Anspruchs gemäß § 1575 BGB indes eine Zweitausbildung.[570] Auch eine weder den ehelichen Lebensverhältnissen entsprechende noch die vor der Ehe geplante oder wegen der Ehe abgebrochene Ausbildung muss vom Verpflichteten nicht finanziert werden.[571] Ausbildungsziel muss eine angemessene Erwerbstätigkeit sein, die den Unterhalt nachhaltig sichert.[572] Ziel des Anspruchs ist auch neben dem Ausgleich ehebedingter Nachteile und davon nicht zu trennen die wirtschaftliche Selbständigkeit des geschiedenen Ehegatten.

Die Dauer des Anspruchs ist gemäß § 1575 Abs. 1 Satz 2 BGB auf die Zeit begrenzt, in der eine solche Ausbildung im Allgemeinen abgeschlossen wird.[573] Dabei ist bei der Bemessung auf die durchschnittliche Ausbildungsdauer abzustellen, wobei Umstände, die zu einer Verlängerung führen, dann zu berücksichtigen sind, wenn diese nicht in der Person des Berechtigten liegen. Ist absehbar, dass die Ausbildung nicht zu einem Abschluss gebracht werden kann, entfällt der Unterhaltsanspruch, da dann die Gründe für die Prognose einer erfolgreich zu Ende gebrachten Ausbildung nicht mehr vorliegen.[574] Bei einem Abbruch der Ausbildung entfällt der Anspruch für die Zukunft; allerdings wird eine Rückzahlungspflicht auch dann nicht begründet, wenn der Abbruch durch den Berechtigten verschuldet ist.

Der Umfang des Anspruchs ergibt sich zunächst aus § 1578 Abs. 1 BGB. Allerdings sind hiervon die in § 1578 Abs. 3 BGB erwähnten Unterhaltsbestandteile ausgenommen, da der Anspruch eine eigene wirtschaftliche Selbständigkeit ermöglichen soll.[575] Auf den nach § 1578 Abs. 1 BGB zu bemessenden Anspruch muss sich der Berechtigte eigene Einkünfte anrechnen lassen. Hierzu gehören auch nicht subsidiäre staatliche Leistungen wie die Zuschüsse nach BAföG[576] oder nach dem SGB III (§ 116)[577]. Dem Unterhaltsberechtigten ist es grundsätzlich zumutbar, auch günstige Darlehen nach dem BAföG in Anspruch zu nehmen; auch diese lediglich darlehensweise gewährten Bestandteile der Ausbildungsförderung mindern den Unterhaltsanspruch.[578]

Ob neben der Ausbildung eine Teilzeittätigkeit zumutbar ist, wird nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen sein.[579] Regelmäßig wird dies vom Umfang der Ausbildung, Weiterbildung oder Fortbildung abhängig sein. Bei einem Studium oder einer vergleichbaren den Berechtigten zeitlich in gleicher Weise in Anspruch nehmenden Ausbildung wird man eine Nebent...

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