Kommt es beim Verwandtenunterhalt, insbesondere beim Kindesunterhalt aufgrund der abgeleiteten Gegenstellung des Kindes von der des Unterhaltsschuldners in erster Linie auf das erzielte tatsächliche Einkommen für die Bemessung der Unterhaltshöhe an, so ist beim Ehegattenunterhalt Maßstab für den Unterhalt das sog. prägende Einkommen des Unterhaltsschuldners, das den Eheleuten während der Ehe zur Verfügung stand.

Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten während des Getrenntlebens können die ehelichen Lebensverhältnisse nur beeinflussen, soweit es sich um nachhaltige Veränderungen handelt. Dies gilt sowohl für Einkommenssteigerungen wie für Minderungen des Einkommens.[84] Zu Recht stellt die herrschende Lehre auf den Zeitpunkt der Scheidung, nicht der Trennung ab.[85] Dies ergibt sich aus dem Fortbestand der Ehe und den weiterhin bestehenden gegenseitigen Fürsorge- und Beistandspflichten der Ehegatten.[86] Der volle Unterhalt richtet sich deshalb – nach altem wie nach neuem Recht – nach den ehelichen Lebensverhältnissen zum Zeitpunkt der Scheidung.

Allerdings finden nur derartige Veränderungen Berücksichtigung, deren Grundlagen bereits in den ehelichen Lebensverhältnissen angelegt waren. Dagegen sind Veränderungen, die auf einer unerwarteten, vom Normalverlauf erheblich abweichenden Entwicklung beruhen, nicht mehr prägend für die ehelichen Lebensverhältnisse.[87] Erzielt nach der Trennung der Ehegatten der Verpflichtete höheres Einkommen, das auf einem nicht erwarteten Karrieresprung oder einer Leistungsbeförderung beruht,[88] kann dieses Einkommen deshalb die ehelichen Lebensverhältnisse nicht prägen.

Die Diskussionen um den prägenden Charakter der Einkünfte eines Ehegatten haben seit einigen Jahren viel an Schärfe verloren. Der Grund hierfür liegt in dem gewandelten Verständnis des BGH im Hinblick auf die Vorschrift des § 1578 Abs. 1 BGB und hängt indirekt mit der Änderung der Rechtsprechung des BGH[89] zu der unterhaltsrechtlichen Relevanz der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit des Ehegatten im Hinblick auf Haushaltsführung und Kindererziehung zusammen (vgl. auch Abschnitt D II).

Erstmals in seiner Entscheidung v. 29.1.2003[90] hat der BGH dezidiert darauf hingewiesen, dass die Bedarfsbestimmungen nach den ehelichen Lebensverhältnissen im Sinne des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Berücksichtigung nachehelicher Entwicklungen nicht ausschließe. § 1578 BGB stelle schon aufgrund seiner Entstehungsgeschichte keine Lebensstandsgarantie des unterhaltsberechtigten Ehegatten dar. Aus diesem Grund müsse auch eine dauerhafte Absenkung der Erwerbseinkünfte des Unterhaltsschuldners Auswirkungen bereits auf den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen haben und dürfe nicht erst auf der Ebene der Leistungsfähigkeit Berücksichtigung finden.

Genauso wie eine dauerhafte Verbesserung der Einkommensverhältnisse bei der Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse Berücksichtigung finden muss – wenn diese Einkommensverbesserung erst nach der Scheidung eingetreten ist, ihr aber eine Entwicklung zugrunde liegt, die bereits in der Ehe angelegt war – müsse im umgekehrten Fall die nicht auf einer Verletzung der Erwerbsobliegenheit beruhende Einkommensminderung des unterhaltsschuldenden Ehegatten durch den Berechtigten hingenommen werden. Dies ergäbe sich bereits aus der Überlegung, dass der Ehegatte auch bei fortbestehender Ehe sich auf den Einkommensrückgang hätte einrichten müssen.

Es wäre deshalb nicht einzusehen, dass die Scheidung das Risiko einer negativen Einkommensentwicklung vom Unterhaltsberechtigten unter allen Umständen fernhalten müsse. Dies bedeutet, dass ein Einkommensrückgang, der nicht vom Unterhaltsverpflichteten schuldhaft veranlasst wurde, bereits auf der Bedarfsebene zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage führt. Soweit eine Verletzung der Erwerbsobliegenheit nicht vorliegt, ist daher auch die Minderung des Einkommens für den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen entscheidend.[91]

Diese Grundsätze gelten auch für den Trennungsunterhalt, da auch hier der berechtigte Ehegatte – noch stärker als nach der Scheidung – mit dem verpflichteten Ehegatten verbunden ist.

[84] BGH, FamRZ 2003, 590; BGH, FamRZ 1992, 1045 = NJW 1992, 2477; BGH, FamRZ 1986, 244, 245 m.w.N.; Soergel/Häberle, § 1578 Rn. 6; IV Rn. 925.
[85] BGH, FamRZ 1994, 228 = NJW 1994, 935; BGH, FamRZ 1993, 789; BGH, FamRZ 1988, 930 = NJW-RR 1988, 834; BGH, FamRZ 1986, 783 = NJW 1987, 58; BGH, FamRZ 1985, 471, 72; Soergel/Häberle, § 1578 Rn. 3; MünchKomm/Maurer, § 1578 Rn. 4; , IV Rn. 925; Wendl/Gerhardt, § 4 Rn. 215; Lohmann, S. 60 f.; Graba, FamRZ 1989, S. 568; jetzt auch: Johannsen/Henrich/Büttner, § 1578 Rn. 14; kritisch: Krenzler, FamRZ 1990, S. 221; auf den Zuschnitt der Ehe vor der Trennung stellen auch ab: Roth-Stielow, § 1361 Rn. 6; ähnlich Hampel, FamRZ 1989, S. 113; siehe auch OLG Düsseldorf, FamRZ 1982, 927; OLG Bamberg, FamRZ 1980, 687; a.A. Hampel, FamRZ 1984, S. 621, 622.
[86] BGH, FamRZ 1984, 149; OLG Düsseldorf, FamRZ 1978...

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