Leitsatz

Wissenserklärungsvertreter, dessen Erklärungen dem Versicherungsnehmer zugerechnet werden, ist, wer vom Versicherungsnehmer mit der Erfüllung von dessen Obliegenheiten und zur Abgabe von Erklärungen an Stelle des Versicherungsnehmers betraut worden ist.

Der Ehegatte ist als solcher kein Wissenserklärungsvertreter. Vielmehr ist auch bei Ehegatten erforderlich, dass der eine den anderen mit der Abgabe von Erklärungen gegenüber dem Versicherer betraut hat.

 

Normenkette

§ 15 AUB§ 17 AUB

 

Sachverhalt

Der Kläger beanspruchte aus einer im Jahr 1972 abgeschlossenen Unfallversicherung Leistungen wegen Invalidität. Dem Vertrag lagen die AUB 61 zugrunde. Am 1.10.1989 stürzte der Kl. in seinem Hause die Treppe hinunter und zog sich eine schwere Kopfverletzung zu. Er wurde zu 100 Prozent Invalide und verlangte von dem bekl. Versicherer 276.000 DM Invaliditätsentschädigung und 10.740 DM Krankentagegeld. Die Bekl. weigerte sich zu zahlen mit der Begründung, der Versicherungsschutz sei nach § 3 Abs. 4 AUB 61 ausgeschlossen. Der Sturz sei auf Alkoholeinwirkung zurückzuführen. Des weiteren habe die Ehefrau des Kl. die Frage in der Schadenanzeige, ob der Verletzte vor dem Unfall vollständig gesund gewesen sei, unzutreffend bejaht. Der Kl. sei alkoholkrank gewesen. Die Bekl. vertritt die Auffassung, die unzutreffende Erklärung seiner Ehefrau sei dem Kl. zuzurechnen. Auch deshalb sei sie nach § 6 Abs. 3 VVG, §§ 15, 17 AUB von der Leistungspflicht befreit.

 

Entscheidung

Das BGH führte aus, das Berufungsgericht habe offengelassen, ob § 3 Abs. 4 AUB 61 eingreife, wonach Geistes- oder Bewusstseinsstörungen - auch soweit diese durch Trunkenheit verursacht sind - von der Versicherung ausgeschlossen sind. Es habe die Bekl. schon deshalb als leistungsfrei angesehen, weil die Ehefrau des Kl. in der Schadenanzeige vorsätzlich falsche Angaben gemacht habe. Dies müsste sich der Kl. zurechnen lassen, weil seine Ehefrau seine Wissenserklärungsvertreterin gewesen sei. Diese Begründung halte, so der BGH, den Angriffen der Revision nicht stand. Allerdings könne der Revision nicht darin zugestimmt werden, dass die Ehefrau des Kl. die Frage, ob der Kl. vor dem Unfall vollständig gesund gewesen sei, zutreffend mit "ja" beantwortet habe, weil der Kl. im Zeitpunkt vor dem Unfall nicht mehr alkoholkrank gewesen sei. Das Berufungsgericht habe aus den Krankenberichten rechtsfehlerfrei geschlossen, dass der Kl. alkoholkrank war.

Das Berufungsgericht habe aber aus der objektiv falschen Antwort geschlossen, dass die Ehefrau des Kl. auch subjektiv unrichtig geantwortet habe. Der Kl. habe dazu vorgetragen, seiner Ehefrau seien seine Alkoholprobleme wohl bekannt gewesen. Sie habe seinen zeitweise übermäßigen Alkoholgenuss jedoch nicht als Krankheit im medizinischen oder versicherungsrechtlichen Sinne verstanden und in der vorformulierten Frage als ihr bekannte Krankheiten nur organische oder körperliche angesehen. Treffe dies zu, könne Vorsatz entfallen. Denn Vorsatz erfordere das Wollen der Obliegenheitsverletzung im Bewusstsein des Vorhandenseins der Verhaltensnorm. Der Kl. habe für seine Behauptung, seine Ehefrau habe die Frage in der Schadenanzeige nur auf organische oder körperliche Krankheiten bezogen, Beweis durch ihre Vernehmung angeboten. Diesem Beweisangebot hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen. Schon dieser Verfahrensfehler nötige zur Aufhebung und Zurückweisung der Sache an das Berufungsgericht. Gelinge es dem Kl. zu beweisen, dass seine Ehefrau die Frage zwar nicht vorsätzlich beantwortet hat und sollte grobe Fahrlässigkeit vorliegen, werde es gemäß § 6 Abs. 3 S. 2 VVG, § 17 AUB 61 darauf ankommen, ob die falsche Auskunft Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls oder auf die Feststellung zur Schadenhöhe der Leistung habe.

Die Sache müsse auch deshalb zurückgewiesen werden, weil das Berufungsgericht für seine Annahme, die Ehefrau des Kl. sei seine Wissenserklärungsvertreterin, keine Feststellungen getroffen habe.

Der BGH habe wiederholt ausgesprochen, dass sich der VN falsche Angaben dritter Personen in entsprechender Anwendung des § 166 BGB zurechnen lassen müsse, wenn er diese Person zur Erfüllung seiner Aufklärungsobliegenheit beauftragt habe. Bei dieser Haftung für einen Wissenserklärungsvertreter handelt es sich um keinen Anwendungsfall der Repräsentantenhaftung, sondern um eine Haftung kraft eines Zurechnungsgrundes. Wissenserklärungsvertreter sei nicht nur, wer vom VN zu dessen rechtsgeschäftlichem Vertreter bestellt sei. Es genüge, dass der VN den Dritten mit der Erfüllung seiner Obliegenheiten gegenüber dem Versicherer betraut habe und dass der Dritte die Erklärung anstelle des VN abgebe. Erst in der Übertragung bestimmter Aufgaben liege - wenn zu ihnen die Abgabe von Erklärungen gegenüber dem Versicherer gehöre - der Grund, weshalb es gerechtfertigt sei, diese Erklärungen des Dritten dem VN zuzurechnen. Auch bei Ehegatten sei für die Zurechnung der Erklärungen des einen erforderlich, dass der andere ihn mit der Abgabe v...

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